Evang.  Kirche  Zell im Wiesental
 

Da ich das Tagebuch vorerst nicht weiterführen möchte, gibt es hier in loser Folge Antwort auf einige Fragen von Konfirmandinnen und Konfirmanden...

12.10.2021

Lieber Gott!

Wieso hast du Corona erschaffen? Das Virus hilft uns nicht, sondern schadet uns eher. Vielleicht wolltest du, dass es weniger Menschen gibt auf der Welt. Zwar erfüllt das Virus dann diesen Zweck, aber alle anderen Menschen verlieren zum Teil ihren Job, oder können nur noch von zu Hause arbeiten. Und außerdem muss ich fast den ganzen Tag einen Mundschutz tragen.

Liebe Grüsse …


Liebe / Lieber …

Ich würde Dir gerne eine Antwort geben auf die Frage, die du Gott hier stellst. Doch auf viele Fragen weiss ich keine Antwort. Und wenn ich hier eine wüsste, dann wäre es schon anmassend. Ich weiss nicht, warum Gott das Corona Virus geschaffen haben könnte: Ja, klar, wenn wir immer wieder vom »allmächtigen Gott« reden, dann wäre er wohl auch für das Virus unbedingt zuständig. Aber, wenn ich das wüsste, dann müsste ich ihm ja über die Schulter schauen können, Einblick in seine Pläne haben usw.. Wenn jemand behauptet, er oder sie könne das, dann seid erst einmal vorsichtig.

Ich weiss auch nicht, welchen Zweck das Virus haben sollte. Tatsächlich haben manche schon behauptet, dass das Virus eine Reaktion der Natur sei, weil wir sie ausbeuteten und überforderten. Das könnte sein, wenn der gute, alte Darwin recht haben sollte, aber wissen tue ich das nicht.

Es stimmt auch, dass das Virus und die Folgen viele Menschen in Schwierigkeiten bringt. Oft ist es im Leben wirklich so, dass die, die eher wenig dafür können, die Zeche zahlen.

Ja, wir können und sollen mit Gott darüber reden, auch streiten, was uns beschäftigt und was wir nicht verstehen. Aber es ist gut, wenn wir ihn nicht nur für das verantwortlich machen, was für uns nicht gut ist und er uns sonst gestohlen bleiben kann.

Ein evangelischer Theologe, Dietrich Bonhoeffer, hat sich einmal das überlegt: »Wir können nicht redlich sein, ohne zu erkennen, dass wir in der Welt leben müssen - »etsi deus non daretur«. So führt uns unser Mündigwerden zu einer wahrhaftigeren Erkenntnis unserer Lage vor Gott. Gott gibt uns zu wissen, dass wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden. … Gott lässt sich aus der Welt hinausdrängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt, und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns.« … Christus helfe nicht »kraft seiner Allmacht, sonder kraft seiner Schwachheit, seines Leidens.« Bonhoeffer verweist auf Matthäus 8,17: Er hat unsre Schwachheit auf sich genommen und unsre Krankheit hat er getragen. 

Und nun?

Soll ich meinen Mund halten, weil ich auch keine Antwort weiss?

Oder sollen wir gefälligst unseren Verstand benutzen und unsere eigenen Schlüsse ziehen aus dem Corona Virus und seinen Folgen, anstatt Gott haftbar zu machen, weil wir es diesmal eben nicht so leicht schaffen, »die Sache mal eben wieder in den Griff zu kriegen«?

Dein Hellmuth Wolff 


22.04.2021

Volo, ergo sum 

(Ich will, also bin ich, frei nach René Descartes)

Ich hoffe nicht, dass er sich jetzt im Grab herumdreht, aber ich fürchte, dass dieser Massstab heute viel passender für unsere Welt ist. Wir (nein, natürlich nicht alle, das gebe ich zu) wollen das haben, was uns zusteht. Das schuldet uns die Gesellschaft, die Welt, das Leben, oder, wenn ihm die Existenz noch erlaubt wird, Gott. Termine müssen für mich sofort zur Verfügung stehen, was ich will, muss erlaubt und möglich sein, Gegenstände, die ich besitzen will, müssen sofort lieferbar sein und der Arbeitgeber hat sich bei der Einteilung meiner Arbeitszeit natürlich nach meinen Bedürfnissen zu richten und dergleichen mehr. 

Zwischendrin gibt es ein paar altmodische Typen, die sich doch wirklich trauen, etwas anderes zu sagen. Einer davon ist der emeritiere Waldenserprofessor Paolo Ricca, dem die Frage keine Ruhe lässt, woher so plötzlich und verheerend diese Pandemie komme. Dass man in Italien angesichts der vielen Toten während der ersten Welle anders darüber denkt als bei uns, wo viele die Coronatoten erfolgreich verdrängen und also sich einer Tätigkeit hingeben, die sie Querdenken nennen (es ist zur Stunde noch nicht klar, ob es sich dabei um eine unerforschte Tätigkeit des Gehirns handelt), wird wohl von allen verstanden, die auch nur Bilder der sich aufstapelnden Särge gesehen haben. 

Ricca meint, dass eine Pandemie sicher viele verschiedene Ursachen habe. Aber eines lässt ihm dann doch keine Ruhe: Ob die Pandemie nicht etwas sei, mit dem die von uns geknechtete und ausgebeutete Schöpfung (für Atheisten und Agnostiker: die Natur) nun zurückschlägt, weil sie sich anders nicht wehren kann? 

In dem Film Matrix gibt es eine Szene, in der einer der Helden des Films schwitzend und gefesselt auf einem Stuhl sitzt. Man hat ihm ein »Wahrheitsserum« gespritzt und will von ihm den Zugangscode zum Ort, an dem sich die letzten Menschen verschanzt haben. Der das von ihm wissen will, ist ein Computerprogramm in Menschengestalt, das ihm höhnisch vorhält, Menschen seien wie ein Virus, sie beuten alles aus, was sie kriegen können und zerstören es dann. 

Ricca ist viel zu klug, um nach einer einzigen Ursache für die Pandemie zu suchen. Trotzdem ist der Gedanke einer zurückschlagenden »Natur« nicht völlig von der Hand zu weisen und könnte uns wenigstens nachdenklich machen. 

Aber nicht dass jemand dächte, das würde zu einem Umdenken führen. Stattdessen verharren wir in einer Art Denk-Starre und hoffen, dass es bald wieder werde, wie vorher und dass es wieder aufwärts gehe. So ist der Mensch, möchte man resigniert feststellen. Das belegen auch drei völlig willkürlich und unsachlich zusammengestellte Zitate: 

Legiones redde! - Gib mir die Legionen zurück, forderte der geschockte Augustus vom General Varus, der dieser Forderung als Toter freilich nicht nachkommen konnte. 

I want my money back! - Ich will mein Geld zurück!, tobte »iron Maggy« Thatcher gegenüber der EU und hatte Erfolg damit. 

Ich will mein Leben zurück! - So stöhnt »der Deutsche«, der sich von der Coronanotbremse geplagt wähnt. Ob er damit Erfolg hat, lässt sich noch nicht sagen. 

Da aber kommt die Kirche, und was hat sie zu sagen? 

Nein, nicht das, was Du willst, sondern Sein Wille geschehe. 


09.04.2021

Umsonst…» (Fortsetzung vom 8.4.)

… ist der Tod, und der kostet das Leben.« Dieses Sprichwort kennen Sie schon. Meistens bekommt man es zu hören, wenn irgend etwas als sehr teuer oder als unangemessen teuer empfunden wird, es sich aber nicht vermeiden lässt, den Preis zu bezahlen. 

Wie ist das dann mit Religion, in unserem Fall, mit dem christlichen Glauben, der angeblich therapierbar ist? Dass der Glaube eben nicht umsonst ist, haben die Kritiker Blaise Pascal vorgehalten. Und da haben sie Recht. Ich kann und will nicht alles tun, was möglich wäre. Für viele ist das eine unzumutbare Einschränkung. Vielleicht denken sie auch: Da habe ich mich das ganze Leben angestrengt, ein guter Mensch zu sein, habe - auf was eigentlich - verzichtet, und am Ende hab ich nicht mal was davon, weil es keinen Gott gibt, oder, wie ein Pathologe sagte: »Nach dem Tod kommt die Verwesung.« Dann mach ich also nur, was mir lohnenswert erscheint? Und ich frage besser gar nicht danach, welchen Preis eventuell andere bezahlen, damit ich das tun kann, was mir lohnenswert erscheint? 

Auf die Pascal’sche Wette muss sich keine einlassen. 

Man kann es auch halten wie ein derzeitiger Star für die jungen Erwachsenen, der in einem Lied meinte: »…doch du kannst gut damit leben, dass es nur die Menschen gibt.« 

Vielleicht könnten wir uns auch darauf einigen, was in einer Textvariante zu Lukas 6,5 steht, die nach Meinung der Forscher aber nicht so weit belegbar ist, dass sie es in den Text des Neuen Testamentes schafft: 

»An demselben Tag sah er (Jesus) einen Mann am Sabbat eine Arbeit tun (was verboten war). Da sagte er zu ihm: Mensch! Wenn Du weisst, was du tust, bist du selig. Wenn du es aber nicht weisst, bist du verflucht und ein Übertreter des Gesetzes.«

Oder müsste man davon auch geheilt werden?


08.04.2021

Der Fensterplatz (Fortsetzung vom 7.4.)

Wetten auf alles Mögliche, das scheint vor allem in Gross Britannien ein Volksvergnügen zu sein. So kann man wirklich darauf wetten, dass ausgerechnet der »Atheistenpapst« Richard Dawkins der Nachfolger von Franziskus sein wird. Um die 1000 Pfund würde man gewinnen, beim Einsatz von lediglich einem Pfund. Auch wenn der Verlust verschmerzbar wäre, die Wahrscheinlichkeit ist doch eher gering, dass es so weit käme. 

Wer hätte gedacht, dass auch der Mathematiker Blaise Pascal (erinnern Sie sich noch an das Pascal’sche Dreieck?) eine Wette formuliert hat, was den Glauben betrifft? Ob mich das irgendwie rettet, wo ich doch »Religion habe«?

Es geht dabei u.a. um das hier: Ich glaube an Gott - und es gibt ihn wirklich, dann werde ich belohnt. Oder ich glaube an Gott und es gibt ihn gar nicht - dann gewinne ich nichts, verliere aber auch nichts. 

Das erinnert ein wenig an die Frage, ob man sich mit einer grösseren Spende so etwas wie einen »Fensterplatz im Himmel« kaufen könne. Die Antwort? In den Witzen heisst es immer: »Ich weiss es nicht, aber versuchen würde ich es«. Viele Köster haben davon ganz gut gelebt, viele hundert Jahre lang (bis, zumindest in Deutschland, dieser Napoleon das Erfolgsmodell mit der Säkularisierung beendete). 

Ist es also in jedem Fall besser und nicht schädlich, an Gott zu glauben? Das wäre doch ein Trost, wenn mir schon bescheinigt wird, eine Krankheit namens »Religion« zu haben. 

Halt!!! Kommt da sofort der Einwand, das stimme überhaupt nicht. Denn das Leben als Christ:in kostet sehr wohl etwas. Wie war das noch mal? Alles, was Spass macht, ist verboten, macht dick oder ist eine Sünde. Ja, genau, da ist der Haken. Wenn ich als Christ:in lebe, dann darf ich ja so viel nicht tun, denn es ist eine Sünde und damit verboten. Ich glaube, so könnte man ein gängiges Klischee formulieren. 

Und tatsächlich, der Glaube ist nicht umsonst. Nicht wegen der merkwürdigen Dreieinigkeit von verboten/dick/Sünde. Natürlich weiss ich, dass mit Verboten Androhung von Sündenstrafen in der Kirche lange gearbeitet wurde. Aber heute? Nein, der Glaube ist für mich eine grossartige Möglichkeit und kein Verbotekatalog (wer das denkt, rechnet wohl wirklich noch mit Fensterplätzen im Himmel). Aber umsonst ist er nicht. Manche Dinge kann - und hoffentlich: will - ich nicht mehr tun, wenn ich an Gott glaube. Ist das ein Verlust, von dem ich geheilt werden muss? (Fortsetzung folgt)


07.04.2021

Bös erwischt

Nein, (noch) nicht mit Corona, es ist ganz anders. Ich war unterwegs und vor mir scherte ein Auto ein. Hinten auf der Heckscheibe ein grosser Aufkleber. In Frakturschrift. Was will mir da jemand sagen, in einer Schrift, die die meisten Jungen nur noch mit Mühe lesen können? Und wieso ist da überhaupt ein Aufkleber? Ein früherer Lehrer an der Basler Uni meinte immer, Aufkleber auf dem Auto seien Unsinn, denn ein Auto sei eine Sache und könne nichts bekennen. Auch nicht, wie früher öfter zu lesen war »Wir glauben an Jesus Christus«. Das müssten schon Fahrerin oder Fahrer selber übernehmen. Natürlich gibt es auch Aufkleber, die scheinbar nichts bekennen, etwa der freundliche Hinweis »Entschuldigen Sie, dass ich so dich vor Ihnen her fahre«. Aber sogar der bekennt etwas: Dass ich ein rüpelhafter, andere gefährdender Drängler sei, denn ich bin so dicht dran, dass ich es jetzt lesen kann. 

Doch was war mit dem Aufkleber auf dem Auto vor mir? Nun, er bekannte: »Religion ist heilbar«. Ich weiss nicht, wer den Satz erfunden hat, ein nun reformierter Pfarrer aus der Schweiz hat ihn zu seinem Buchtitel gemacht und merkt an, dass das ernst sei, er sei inzwischen Agnostiker, aber weiterhin Pfarrer (und grosser Fussballfan, was mich, was sein Agnostikertum betrifft, etwas ratlos macht). 

Das ist lustig, denke ich mir. Ich stelle mir ein Orchester vor, in dem der erste Geiger (ob Frauen auch so etwas machen würden, weiss ich nicht) aus glaubens- und gewissen Gründen die Violine weglegt, aber weiterhin die Rolle des Konzertmeisters innezuhaben gedenkt. Sei’s drum, die reformierte Kirche versteht sich als offene Kirche, also wird das schon alles seine Richtigkeit haben. 

Mich aber, mich hat es erwischt. Ich bin also krank, wird mir attestiert. Ich habe Religion. Immerhin, es sei heilbar, wird mir versprochen. Weil ich aber erst in einem Buch etwas gelesen habe, schwant mir Böses. Dort wird über die »Krankheit Demenz« gesprochen. Darauf sagt der Interviewte, ein Priester der antroposofischen Christengemeinschaft, er würde »Demenz nicht als eine Krankheit bezeichnen, sondern mehr als einen Erscheinungsbild. Ein allerdings sehr rätselhaftes Erscheinungsbild des Menschseins. Bei einer Krankheit sucht man ja immer danach, dass es ein Ende gibt. Dass man Heilung herbeiführt. Und das scheint mir in diesem Fall gar nicht zuzutreffen. Hier muss man mit dieser Erscheinungsform des Menschseins umgehen lernen1«. 

Jetzt muss ich es mir also heraussuchen: Entweder habe ich - möglicherweise heilbar - Religion, oder ich bin in einer - nun unheilbaren - Erscheinungsform des Menschseins angelangt und könnte die Religion, auch wenn ich es wollte, nicht loswerden. Ob das am Ende gar ansteckend ist? Auf jeden Fall hat es mich erwischt. Und was nun? (Fortsetzung folgt)

1: S. 24 in: Till Felten, Sprechen über Demenz, Freiburg o.J. - sehr lesenswert!


30.03.2021

»Es ist noch alles, wie es war, mein guter alter…

…Balthasar, so ein altes Chanson von R. Mey. Gut, er betrachtet dort einen längeren Zeitraum. Für uns reicht das letzte Jahr. Wir sind nicht wirklich einen Schritt weiter. Die Pandemiewelle ist da? Machen wir einen shut-down. Die Infetionszahlen sinken? Lockerungen müssen her. Die zweite Welle rollt an? Na, dann sind wir mal nicht so und machen einen shut-down light. Was, das hilft nichts? Also gut, dann doch wieder ein richtiger… Es hilft nur langsam? Trotzdem, Lockerungen müssen her. Es wird ja gewählt. Es wird wieder schlimmer? Verlängerung auf Verlängerung des shut-downs folgen. Ein paar Entscheidungsträgern ist inzwischen aufgefallen, dass man vielleicht differenzierter reagieren müsste. Aber schon entsteht ein neuer Wettbewerb. Schon setzt mancherorts der Verstand aus: Im Schwarzwald oder auf der Alb - da, wo sich Fuchs und Has’ »Gute Nacht!« sagen, einen einsamen Urlaub verbringen? Kommt nicht in Frage. Mit Tausenden anderen an den Ballerman? Geht doch. Aber die dritte Welle sei doch im Kommen, sei schon da, man habe wohl den Ernst der Lage nicht verstanden! Ein neuer, wirklich heftiger shut-down müsse her. Natürlich funktioniert das Impfen nur - sagen wir mal - schleppend, das Testen auch. Und das im Land der selbsternannten Organisationsweltmeister. War sonst noch was? 

Nein, alles, wie es war: »Was man getan hat, eben das tut man hernach wieder, und es geschieht nichts Neues unter der Sonne«, so steht es im ersten Kapitel des Predigers (Kohelet). Ist dem noch etwas hinzuzufügen? Ja, vielleicht das aus dem 12. Kapitel daselbst: »Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe die bösen Tage kommen und die Jahre nahen, da du wirst sagen: Sie gefallen mit nicht. … Denn der Staub muss wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat. Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, ganz eitel« (1,1+7f). Aber das wissen wir schon. Nur er wusste es früher. Also: »Fürchte Gott und halte seine Gebote, denn das gilt für alle Menschen (12,13). Stimmt auch immer noch. Wenigstens das. Wer will, kann dann noch den letzten Satz nachlesen (12,14).


23.02.2021

Neue Pünktlichkeit

36 Jahre ist es her, dass auch die Soziologen mit dem Wort »neu« zu spielen begannen, besonders Jürgen Habermas, der die »Neue Unübersichtlichkeit« entdeckt und beschrieben zu haben glaubte. Als Kleinstädter im engen Tal denke ich mir, dass es gar nichts anders gibt als die Unübersichtlichkeit, und die dauernd, denn wer weiss schon, was sich hinter der nächsten Biegung zeigt… Aber er macht viel Freude, der schillernde Begriff, sogar den Feuilletonchef der Zeit, F. J. Raddatz, hatte man mit einem gefälschten Goethezitat hereingelegt, der angeblich schon von der neuen Unübersichtlichkeit hinterm Frankfurter Bahnhof geschrieben habe, den es zu Goethes Zeiten leider noch gar nicht gab. Nun, Raddatz hat den Spott überlebt, soviel wäre dazu noch anzumerken. 

Mir reicht die »Neue Pünktlichkeit«, die wir im Februar feststellen, da nun schon den zweiten Winter in Folge uns unzeitgemässe Warmluft ereilt, dergestalt, dass Menschen spontan an Eisdielen (sie wissen, das sind, wie die Drogerien auch, die Läden des täglichen Bedarfs) lange Schlangen bilden, dank der Corona-Regeln klappt das im Ansatz sogar in Deutschland. Ja, das Wetter hält sich an diese neue Pünktlichkeit, allerdings fällt diesmal kein Literaturkritiker darauf herein, höchstens die Pflanzen, die auszutreiben beginnen, nur um alsbald vom nächsten Frost übel ausgebremst werden. 

Und was lernen wir daraus? Dass die Menschen genug haben, vom Winter, dem grauen Schnee an den Strassenrändern, vom shut-down, den geschlossenen Läden und Gaststätten und natürlich auch davon, dass nun schon wieder die F… (nein, ich sag’s nicht) ausgefallen ist. Davon werden die Menschen müde und rebellisch. Das passende Wahlplakat einer Partei fehlt leider noch; ich meine die, die schreiben »Steuern runter - Wohlstand rauf«, da könnte man doch noch hinzufügen: »Virus weg - Läden auf«. Wenn unser neues Virus das liest, wird es erschrecken und sich sicher samt seiner Mutationen alsbald nach Wuhan zurückziehen, ob nun auf den Markt oder ins Labor, wer weiss das schon. Ich werde ihnen den Tipp mit dem Plakatslogan aber nicht geben, sonst gewinnen die am Ende noch die Wahl. In solchen Zeiten kann nicht alles, aber viel geschehen, denn:
Die Menschen haben genug. Das muss mal gesagt werden. Schon drei Monate geht fast nichts von dem, was Spass macht. Drei Monate. Wenn das unsere Vorfahren im ersten und zweiten Weltkrieg hätten aushalten müssen. Aber die hatten ja nur Krieg, und auch nur vier oder sechs Jahre.
Wie schrieb schon der alte Jeremia?: »Es ist das Herz ein trotzig und verzagt Ding; wer kann es ergründen?« Hätten Sie es lieber modern? Also gut: »Das menschliche Herz ist und bleibt ein Rätsel: Es ist abgrundtief verkehrt und unverbesserlich. Wer kann es ergründen?« Passt auch. Neue Übersichtlichkeit in alten Worten. Weil das aber nicht in whatsapp geschrieben steht, weiss es mal wieder keiner.


15.02.2021

…ist halbes Leid

So ab Mitte Oktober denke ich, was in unserer Zeitung wohl noch drin stünde, wenn es keine Fasnet gäbe. Fast jeden Tag etwas über die Fasnet, und das bis zum Aschermittwoch, dann kommt die Fasnetsverbrennung, dann ja noch die Buurefasnet und die Balser Fasnet und das Schiibeschlage und dann die Nachberichterstattung. So zwei Wochen nach dem Aschermittwoch ist es dann vorbei mit den vielen Berichten. Wenn das nicht wäre, dann könnte die Zeitung auch nur jeden zweiten Tag erscheinen. 

Aber nun gibt es in diesem Jahr keine Fasnet, so richtig. Nur online. Ein Notbehelf, um zu zeigen, »Ja, es gibt uns noch!« und »Schaut her, wir lassen uns die gute Laune nicht nehmen!« Bis hin zu einen Spruch, den ich im irgendwo aufgeschnappt habe, dass sich ein rechter Narr eben mit Fasnet anstecke? Bei den Narren hat man den Eindruck, die wissen sehr wohl, dass eine echte Fasnet, eben doch in der echten Begegnung mit Menschen stattfindet und das Digitale ist nur ein Notbehelf und nicht mehr. 

Die Zeitung aber weiss sich zu helfen. Wochenlange Berichterstattung, mit welch schweren Herzen die Kampagne und verschiedene Veranstaltungen nach und nach abgesagt werden. Und dann Berichte über früher, wie es da noch war, als man noch Fasnet feiern durfte. Wochenlang. So geht’s journalistisch wohl auch. 

Ich staune darüber. Bei uns, bei der Kirche waren sie da schnell fertig: Gottesdienste seien verzichtbar, schreiben Journalisten. Natürlich auch Berichte über das Digitale und über Kirchenleute, die das wunderbar finden und darin viel (oder die) Zukunft entdecken wollen. Nein, bitte, ich beklage mich nicht. Wer das denkt, hat mich nicht verstanden. Ich finde das alles hoch spannend, denn da ist ganz viel über die Gesellschaft, über Meinungsveröffentlicher und andere zu lernen, viel mehr und viel leichter und präziser als sonst. Mehr als jede theoretische Abhandlung versteht man, wenn man diesen Prozess verfolgt, was wichtig ist und was nicht, was verzichtbar ist und was nicht. Da braucht es gar keine teuren Meinungsforschungsinstitute. Es ist ganz so, wie Thomas N. (sein Name passt nicht mehr in eine Zeit, die sich auch in der Sprache um Gerechtigkeit bemüht) hat das auch schon besungen: 

Doch der Narrenspiegel zeigt nicht nur Dich
Spiegel der Welt oft das wahre Gesicht
Graue Schatten, Bilder, auch das kann man sehen
Von Narren die das alles nicht verstehn.

Also gut, wir ändern nichts an dem, was in diesem Jahr nicht geht und werden sehen, was das nächste bringt. Ob es wieder ein Zurück gibt, die Progressiven werden es dann schnell eine Restauration nennen, oder ob alles anders wird. Bis dahin teilen wir die Umstände, ob sie sich dabei wirklich halbieren, mag jede und jeder selber entscheiden. 

Den Kehrvers des Liedes von Thomas N. bin ich Ihnen noch schuldig:
Wir alle wir leben im Schatten des Doms
und Gott Jokus singt mit uns ein Halleluja
wir halten unsere Fahnen schwenkend hoch in den Wind
und danken, dass wir Gast auf Erden sind. 

Bei der dritten Zeile überlege ich noch, wie sie gemeint sein könnte? Frohe Menschen, die dies durch Fahnenschwenken kundtun (das muss ja nicht immer schief gehen)? Oder ist der Schwerpunkt doch beim »Halten… in den Wind«? Nein, nein, das kann  nicht gemeint sein. Die Fasnetsfreude ist schliesslich eine ernsthafte Sache.


11.02.2021

very british  

In einer »vierbändigen englischen Trilogie, die in fünf Bänden erschienen ist«, geht es um Anhalter, die mehr oder weniger freiwillig durch die Galaxien trampen. Einmal kommt auch ein Planet »Preliumtarn« vor, auf dem sich die »Quazgar-Berge« befinden sollen. Auf deren Gipfel sei in zehn Meter hohen Feuerlettern Gottes letzte Botschaft an seine Schöpfung eingraviert. Sie lautet im englischen Original - aber nein, so schnell sei das nicht verraten. Denn was könnte das sein, Gottes letzte Botschaft an die Menschen?
Vorher bringt Douglas Adams, der Autor, schon eine andere, fast sinnlose Frage ins Spiel, denn ein unvorstellbar grosser Computer rechnet 7,5 Millionen Jahre, bis er die Antwort auf die Frage nach dem »Leben, dem Universum und dem ganzen Rest« findet. Die Antwort ist ein klein wenig unbefriedigend, denn sie lautet »42«. Da es schwierig sein mag, auf solche schrägen Fragen eine verständliche Antwort zu finden, mag die sie dem britischen Humor angemessen erscheinen. Vielleicht sollten Sie diese Antwort auf die »letzten« Fragen gelegentlich anbringen, und dann sehen, was der Abend so bringt…
Dabei könnte sogar die Frage nach Gott auftauchen, denn die lässt sich in der Frage nach dem »Leben, dem Universum und dem ganzen Rest« gut unterbringen. Allerdings ist hier die Antwort »42« zumindest auf den ersten Blick nicht so wirklich hilfreich.
Es muss noch andere Antworten geben. In einem aktuellen Witz etwa wird Gott danach gefragt, warum er den Menschen Ohren gegeben habe, wo sie doch sowieso nie zuhörten? Was antwortet Gott? »Auch wisst ihr, ich werde im Jahr 2020 eine Pandemie auf die Erde schicken und an irgend etwas müssen die Menschen doch den Mundschutz befestigen!« Wenn das zuträfe, dann hätte Gott selber auch einen speziellen britischen Humor. Hat er den?
Was hätte uns Gott wenn es ihn a) gibt und wenn er b) Humor hat, als Letztes zu sagen, nachdem scheinbar doch alles gesagt ist, was zu sagen ist: Douglas Adams hatte da eine gute Idee. Die Inschrift auf dem Berg soll lauten: »We apologise for the inconvenience« (»Wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten«). Harte Worte. Denn wenn er das gesagt haben sollte, dann müsste Gott ein Beamter oder Angestellter der Deutschen Bahn sein, zu deren Standardrepertoire dieser oft benötigte Satz gehört. Gott ein den Zug und das Leben begleitender Kontrolleur? Nein, also das geht wirklich nicht.
Weil man aber den Eindruck gewinnen könnte, dass Gott tatsächlich manchmal einen sehr speziellen Humor hat, würde ich auf diesen Quazgar-Bergen lieber das eingravieren lassen, was angesichts der Starrsinnigkeit der Menschen mindestens so skurril wie die Antwort »42« wäre: »Habe ich etwa Gefallen am Tod eines Ungerechten?… Nicht vielmehr daran, dass er zurückkehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?« Diese Skurrilität, in diesem Fall seine eigenwillige Neigung zu uns, die ihre Ohren hauptsächlich für die ffp2 Masken benutzen, leistet er sich wirklich. Ob Gott ein Brite ist?


09.02.2021

Ja ist denn heut Sonntag? 

Die Glocken der Dorfkirche läuteten. Die Dorfbewohner erschraken. Was sollte das? Die Glocken wurden schon seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt. Wollte Ihnen jemand einen Streich spielen? Weil es aber nicht aufhörte, gingen viele nun doch zur Kirche. 

Nach einigem Hin und Her und verschiedenen Spekulationen ruft der Pfarrer vom Balkon der Kirchturmes aus: 

» ›Könnt ihr uns hören?‹ Ein Raunen ging durch die Menge. Vielleicht war das Ganze nur ein Vorwand für eine Predigt, doch heute war nicht Sonntag. Niemand hatte Zeit zum Beten« (aus John Ironmonger, Der Wahl und das Ender der Welt, S. 268). 

Dieser Schriftsteller hat den Durchblick. Für ihn ist ganz klar: Wenn überhaupt, dann ist am Sonntag Zeit zum Beten. Sonst natürlich nicht. Da hat er die moderne Seele verstanden. Die hat für alles eine bestimmte Zeit. Und manches steht auf der Liste für Dinge, die erledigt werden, wenn sonst wirklich nichts mehr zu tun ist. 

Die, die ohnehin wissen, dass Beten nichts hilft (ja, es gibt sog. wissenschaftliche Untersuchungen, natürlich aus den USA, dass das eben so sei, durchgeführt mit bei Probanden mit Herzproblemen), werden empfehlen, es gleich ganz zu streichen. Gut, nicht wahr? Schon wieder etwas Entlastung, denn es ist besser, die Liste mit den unerledigten Dingen zu kürzen, als sie immer länger werden zu lassen. 

Alle anderen könnten auf die Idee kommen, dass es wohl nicht so falsch sein wird, sich gelegentlich unterbrechen zu lassen, um den Einen oder Anderen im Leben ggf. wieder den angemesseneren Stellenwert zu geben. 


07.02.2021




03.02.2021

Verzichtbar 

Geht die Welt unter, wenn wir keine Gottesdienste feiern? Nein, davon geht sie nicht unter. Das muss sich auch eine Reporterin gedacht haben, die in unserer Zeitung einen Kommentar schrieb. Sie meinte, es sei nicht gut, wenn wir wieder Präsenzgottesdienste feiern, Solidarität ginge anders und Gottesdienste seien verzichtbar. Ich weiss nicht, ob sie schon einmal einen mitgefeiert hat. 

Nun könnte man sicher ausgiebig hin und her argumentieren. Ich könnte auch darüber sinnieren, wieviel Abstand man in Lebensmittelgeschäften halten kann - nämlich so gut wie gar keinen - und warum es dort keine Beschränkung der Zulassungszahlen zu geben scheint, wie im Frühjahr. Ich könnte darauf hinweisen, dass wir ganz freiwillig seit dem 4. Advent bis zum 2. Februarsonntag keine Präsenzgottesdienste gefeiert haben. Aber was soll’s. Das hilft nicht weiter. Und Meinung ist schliesslich Meinung. 

Manchmal heisst es zu Beginn des Gottesdienstes »Wir halten diesen Gottesdienst …« Aber so ist es nicht, denn der Gottesdienst hält uns, jedenfalls die, die ihn suchen, weil sie ihn brauchen. Wenigstens davor könnte man Respekt haben.

01.02.2021

Stille, nicht coronabedingt

Am Morgen war es noch ganz ruhig gewesen. Nur ein paar kleine Wellen plätscherten müde. Nicht einmal die Frühaufsteher waren schon aufgestanden. Am Strand sassen ein paar Fischer, aber sie sprachen so wenig wie möglich. Sie waren müde. Schlimmer noch als die Müdigkeit war ihre Enttäuschung, denn heute Nacht hatten sie nichts gefangen. Trotzdem mussten Sie die Netzte durchsehen. Auch wenn es heute keine Fische gab, Müll oder abgebrochen Äste fingen sie immer und die rissen manchmal Löcher in die Netze, welche sie stopfen mussten. Das ging schweigend ebenso gut.

»He, hast Du keine Augen im Kopf. Nimm sofort deine blöden Schuhe von meinen Zehen!« »Wie, was? Redest Du mit mir? Merk’s dir, hinten habe ich nie Augen. Ausserdem kann ich nichts dafür, der vor mir hat mich rückwärts geschubst. Wär’s Dir lieber, ich wäre ganz auf Dich gefallen?« »Könnte Ihr zwei endlich mal den Mund halten, man versteht gar nichts, was der da vorne sagt. Dabei ist er extra mit dem Boot ein wenig auf’s Wasser rausgefahren.« »Ruhe jetzt!«, zischte ein anderer.

Wegen ihrer Auseinandersetzung hatten die beiden gar nicht bemerkt, dass es vorne jetzt still war. Die Rede war vorbei. Der Mann im Boot redete mit dem Fischer, der sein Boot zur Verfügung gestellt hatte. Was, das konnten sie nicht verstehen. Dann sahen sie, dass der Fischer den Redner ans Land brachte und aussteigen liess. Er packte die Netze ein, die am Ufer zum Trocknen lagen Schon machte er kehrt, er und sein Bruder fuhren wieder hinaus auf den See. 

Inzwischen hatte die nicht ganz so stille Post funktioniert und man hatte denen weiter hinten erzählt, was vor sich gegangen war. Der Wanderprediger Jesus hatte zu dem Fischer Simon gesagt, er solle noch einmal auf den See hinaus fahren und seine Netze zum Fang auswerfen. Viele, die das hören, fangen an zu grinsen. Einer ruft dazwischen: »Klar, der Prediger ist Zimmermann, der versteht halt nichts vom Fischen. Fische fängt man in der Nacht, aber nicht am Tag, da tauchen sie ab!« Man sieht schadenfrohe Gesichter. Da sind einige froh, dass sie wenigstens etwas besser wissen, als der Prediger. Denn das, was er gesagt hat, hat sie nachdenklich und unruhig gemacht. Jetzt, wo er gezeigt hat, dass er auch nicht alles weiss, können sie das, was sie von seinen Worten beschäftig hat, wieder auf die Seite schieben. 

Inzwischen hat Simon draussen auf dem See seine Netze ausgeworfen und wartet. Er hat Zeit. Der Tag war ohnehin gelaufen. Kein Fang, kein Verkauf der Fische, kein Geld. Da werden einige Schwimmer, die seine Netze oben halten, unruhig. Schon zieht es die ersten unter Wasser. Was ist denn da los? Werden sie wieder Äste und Müll fangen? Fast gelangweilt schaut Simon näher hin und dann geht es los. Er kann nur noch feststellen, dass die Netze sehr voll sein müssen, es zieht sie richtig runter. 

Jetzt ist er als Fischer gefragt, er hat keine Zeit zum Nachdenken, was geschieht. Mit all seiner Erfahrung packt er zu und merkt schnell: Das kann unser Boot nicht tragen. So winkt er seinen Gefährten und die kommen schnell, um zu helfen. Bald sind beide Boote so voller Fische, dass sinken würden, wenn es jetzt auch noch Wellen gäbe und Wasser ins Boot laufen würde. Langsam geht es zurück zum Ufer. 

Nun hat Simon Zeit zum Nachdenken. Was er nicht denkt ist: »Da hab’ ich aber Glück gehabt.« Für ihn ist klar: Er hatte unglaublich viele Fische gefangen. Nach seiner Erfahrung hätte das gar nicht sein dürfen, aber es war geschehen. Das musste etwas mit diesem Zimmermann und Wanderprediger Jesus von Nazaret zu tun haben. Aber was? Vorhin hatte er noch einfach so zu ihm gesagt: »Auf dein Wort hin will ich die Netze auswerfen!« Aber das war nur eine freundliche Umschreibung. Es hat eigentlich geheissen: »Du wirst schon sehen, wir fangen am Tag nichts, das ist eine alte Fischerweisheit hier am See - vom Fischfang verstehst Du nichts.« So unhöflich wollte er nicht sein. Es hatte ihm ja auch gefallen, was Jesus da von seinem Boot aus den Menschen gesagt hatte. 

Er versuchte sich an die Worte zu erinnern, während er ruderte. Er hatte so einen lustigen Vergleich gemacht und davon erzählt, dass einer zum anderen sagte: »Halt mal still, ich will den Holzsplitter aus einem Auge ziehen.« Und dabei hatte der in seinem eigenen Auge nicht nur einen Holzsplitter, sondern einen ganzen Balken stecken. Simon musste lächeln, wenn er sich das vorstellte. Natürlich konnte niemand einen ganzen Balken im Auge haben. Aber er hatte schon verstanden: Der, der viel falsch gemacht hat in seinem Leben, soll nicht hergehen und andere zurechtweisen, die gerade einen kleinen Fehler gemacht haben. Sie sollten sich erst mal selber ändern. Immer noch lächelte Simon. Dann verschwand sein Lächeln. »Wer bin ich in diesem Beispiel?«, überlegte er sich? Dann bekam er eine Gänsehaut und er dachte: »Ja, ich gehöre zu denen mit dem Balken, denn bei mir ist schon viel schief gelaufen in meinem Leben. So oft bin ich anderen schon über den Mund gefahren und hab’ sie zurecht gewiesen, obwohl ich gar nicht besser bin.« Er bekam einen Schreck: »Was soll ich denn sagen, wenn ich an Land bin? Wenn einer so etwas machen kann wie dieser Jesus, dann kann er noch mehr. Dann weiss er sogar wie ich bin. Dann schaut er in mich hinein. Dann sieht er alles, was ich schon gedacht und getan habe. O, ist das peinlich.« 

Da knirscht es und das Boot läuft auf das Land auf. Wie die anderen springt Simon aus dem Boot. Die machen es wie immer und ziehen die Boote noch ein wenig das Land hoch, sie sollen ja nicht gleich wieder davon schwimmen. Simon hilft nicht mit. Er geht zu Jesus. Der grosse Simon bekommt weiche Knie. Dann stammelt er nur noch: »Geh lieber weg, Jesus, mit einem Menschen wie mir kannst Du nichts anfangen. Denn in meinem Leben stimmt vieles nicht.« Plötzlich war es ganz still. Viel zu viele hatten mitbekommen, was er gesagt hatte. Doch Jesus lächelte ihn an und sagte ganz ruhig: »Hab keine Angst. Das weiss ich doch längst. Aber ich kann gerade Leute wie dich gebrauchen. Leute, die sich nichts vormachen. Leute die wissen, dass sie Gottes Liebe und seine Vergebung brauchen können. Ich hab da eine gute Idee, Simon. Bisher warst du ein Fischer. Jetzt wirst Du sogar ein Menschenfischer. Aber Du wirst nicht mehr mit einem Netz arbeiten, sondern mit Worten. Die wirst Du bei mir lernen, keine Angst. Eines Tages wirst Du allen ohne Angst von Gott erzählen.« 

Am Morgen war es noch ganz ruhig gewesen. Jetzt war es wieder ruhig. Für manche sogar viel zu ruhig. Denn Simon, sein Bruder Andreas und die beiden Freunde Johannes und Jakob, Brüder auch sie, hatten ihre Arbeit als Fischer einfach aufgegeben und waren mit Jesus gegangen. Sie wussten noch nicht, auf was sie sich das einliessen. Am Morgen war es noch ganz ruhig gewesen. So ruhig würde es in ihrem Leben nie wieder werden.


31.01.2021




29.01.2021

Versaut

Peter Stamm berichtet in der Zeitschrift »allmende«, dass Peter Bichsel in der NZZ gefragt wurde, ob er schon ein Tagebuch geführt habe, Bichsel meinte, nein, das könne er nicht, er sei da talentfrei. Es sei wie mit dem Fotografieren: wenn er mit einer Kamera herumlaufe, werde die Welt viereckig, weil er nach Motiven suche. Wenn er Tagebuch schriebe, dann hätte er begonnen, für’s Tagebuch zu leben, er hätte sich Leute oder Beizen (Hochdeutsch: eine Wirtschaft) ausgesucht »im Hinblick darauf, ob sie interessant genug wären« für seine Aufzeichnungen. »Das Tagebuch versaut mir das Leben.« 

Das überlege ich mir auch manchmal, indes ich hier schreibe. Irgendwann stellt sich die Furcht ein, nichts Interessantes mehr zu schreiben zu haben oder aber alles nur noch durch verschiedene Brillen zu sehen: Der Coronabrille, der Rechthaberbrille, der Besserwisserbrille usw. Das versaut wirklich das Leben. 

Gut, dass ich für solche Fälle eine Korrektur und einen - für mich - sicheren Hafen habe (was bitte niemand mit dem schon längst wieder gescheiterten Datenschutz-safe harbor verwechseln möge): »Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht« (Mt.11). Ein Satz, der so grandios überzieht wie Jack Nickolson seine Filmgrimassen in »Shining« oder »Eine Frage der Ehre«. Der Satz - und Nicholsons Grimassen - müssem entweder wahr sein oder umgehend in sich zusammenfallen. Probieren Sie ein Urteil erst mal bei Nickolson aus und überlegen dann erst, ob Jesus Recht haben könnte. 

Nein, wollen Sie nicht? Dann müssen Sie es halt doch wie Bichsel sehen: »Vielleicht kommt die Literatur nur daher, dass es so viele schlechte Turner gibt.« Das haben Sie dann davon.


28.01.2021

Me waisses nit! 

würde es in meiner Mundart, im hiesigen Dialekt heissen. Man weiss nicht, was da vor sich geht. An einem Tag wird etwas mühevoll in der Runde der Ministerpräsident:innen und der Kanzlerin beschlossen, am nächsten Tag sagt Baden-Württemberg, dass sie es doch anders machen wollen. Der »MP« hält an diesem eigenen Weg fest, muss aber dann doch zurückrudern, denn eine Mutation breitet sich ausgerechnet in einem »seiner« Kindergärten, in Freiburg aus. Was geschieht da? Ist er so wetterwendisch geworden? Oder ist es einfach nur der Wahlkampf und die Person, die so dringend seine Nachfolgerin werden möchte, damit sie den vormals in Baden-Württemberg scheinbar naturgegebenen Zustand einer Regierung durch ihre Partei endlich wiederherstellen kann, treibt ihn vor sich her? Zuzutrauen wäre es ihr. Wie soll man in solchen Zeiten auch sonst Wahlkampf machen? Dann halt mit der Frage, wann Kindergärten und Schulen wieder geöffnet werden. Aber: Man weiss es nicht. 

Was wir wissen ist nur, dass es immer welche gibt, die hinterher sagen, sie hätten es vorher besser gewusst und vermutlich sich in’s Fäustchen lachen, dass man die Zukunft von heute morgen halt schon kennt, so ist gut »Profet« sein. 

Ganz bestimmt aber sind das alles politische Fragen, die zu beantworten wir keine Anleitung in der Bibel haben, jedenfalls nicht, was dann im Februar hier mit den Kindergärten und Schulen zu geschehen hätte. 

Was haben wir dann? Wir hätten einen Gedanken des 1. Jesaja: Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein grosses Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Land, scheint es hell (9,1). Immer noch keine Handlungsanweisung in der Corona Politik. Aber mit diesem Licht - die Christen identifizieren es mit der Geburt Jesu von Nazareth - könnte es gelingen, wenigstens einen klaren Kopf zu behalten, es könnte gelingen, wenigstens den einen oder anderen bescheuerten Gedanken nicht zu denken und es könnte auch gelingen, etwas davon zu spüren, dass wir auch in solchen Zeiten »in Gottes Hand« sind, von ihm begleitet werden, ohne dass er uns Denken und Handeln abnimmt. So seh’ ich das. Sie auch? Me waisses halt nit. 


27.01.2012

Noch mal…

… soll John Ironmonger zu Wort kommen: 

»Wir glauben, unsere Gesellschaft sei stabil. Wir glauben, sie steckt alles weg, was das Leben ihr in den Weg legt. Aber wir übersehen dabei etwas Entscheidendes: Die Komplexität. Das ist unser Schwachpunkt.«

Sicher, sollten unsere Lieferketten gestört werden, dann könnte die Mehrheit von uns in den Garten gehen ernten oder wieder einen solchen anlegen. Plötzlich wäre die Wohnung in der »Pampa« wieder attraktiv, weil es dort den Grund gäbe für einen Garten zur Selbstversorgung. Aber das ist eher ein Traum, als eine Möglichkeit.

Und wir ärgern uns solange mit den Dingen herum, die in unserer hochkomplexen Welt nicht mehr so recht funktionieren. Oder sie funktionieren eben doch, nur dass die Prinzipien der Marktwirtschaft plötzlich auf ihre Hüter zurückfallen: Geliefert wird der Impfstoff nicht an den, der am höflichsten »Bitte!« sagt, sondern an den, der am meisten bezahlt. Solche Gedanken mussten wir uns halt bisher nie machen. Wie sagte doch der Lörracher Oberstudienrat und Aforistiker Nikolaus Cybinski: »Werden wir je so klug werden, den Schaden zu beheben, durch den wir es wurden?« Eine hübsche Fangfrage mit einer ziemlich eindeutigen Antwort. 

Niemand von uns kann so einfach die moderne Komplexität aus der Welt schaffen, vielleicht wollen das viele auch gar nicht. Solange sie funktioniert, lebt die Mehrheit hier gar nicht schlecht damit. Wollen wir dazu wirklich ein Gegenmodell? Etwa so, wie es im 27. Psalm heisst: »Denn er deckt mich in seiner Hütte zur bösen Zeit, er birgt mich im Schutz seines Zeltes …« Aber der oder die, die das sagen, sagen vorher auch: »Eines … hätte ich gerne: Dass ich im Hause des Herrn bleiben könne mein leben lang…« Wollten wir wirklich so weit gehen? »Hast Du’s nicht eine Nummer kleiner?«, hör ich die Einwender fragen.

25.01.2021

Hervorsage

Von einem Lehrer des Alten Testaments, Curt Kuhl, gibt es ein Wortspiel über das, was einen Profeten ausmacht. Er meinte, Profeten seien keine Vorhersager, sondern Hervorsager. Ihnen ist nicht wichtig, was etwa am 29. Februar 2036 geschehen wird, sondern sie sagen das ganz deutlich, was viele auch sehen könnten, aber nicht wollen. Um einen - vermutlich unreligiösen - Hervorsager geht es mir heute. 

Corona, und die Geschäfte der Autoindustrie liefen schlechter, schlagartig. Da passt sich das gewiefte Unternehmen natürlich an und bestellt weniger beim Zulieferer. Der soll selber zusehen, wie er damit zurecht kommt. Dafür hat man sie ja, dass sie einem das eigene Risiko mindern, auf ihre Kosten natürlich. 

Manche Zulieferer könnte das in den Ruin treiben oder zumindest in ernste Schwierigkeiten bringen. Manche aber auch nicht, die Halbleiterhersteller etwa. Die stellten nun mit einigem Zeitaufwand ihre Produktion um und verkauften ihre Chips an andere. Weil aber die Autokonjunktur wieder anzog, brauchte man auch wieder mehr Chips in der Autoindustrie, in der man sowieso dem Fänomen Tesla hinterherhechelt, was die Elektronik betrifft. Und, o Wunder, der Markt gib es nicht her. Auch wenn die Chip-Hersteller wieder ihre Produktionslinien umrüsten, wird das eher Monate als Wochen dauern. Dumm gelaufen. 

Ja, so ist unsere Welt: Lieferketten heisst das Zauberwort. Alles durchgetaktet, alles wird schön verteilt, entweder, wo es am billigsten ist, oder der Auftrag kommt zu dem, der so was als einziger herstellen kann. Gibt’s auch. Was wohl passiert, wenn diese Lieferketten ernsthaft durcheinander kommen, einfach gekappt werden, etwas wegen einer Pandemie? 

Nun, so weit sind wir noch nicht, aber ziemlich hellsichtig hat das der englische Schriftsteller John Ironmonger (»Der Wal und das Ende der Welt«) schon einmal durchgespielt, vor gut 5-6 Jahren. Nicht mit Corona, aber einem Grippevirus, der mit 20% der Infizierten ziemlich unfreundlich umspringt und sie tötet. In den Diskussionen mit einem Londoner Investmentbanker kommt es zu der These, dass zwei Dinge eine Rolle spielen werden, ob eine Gesellschaft destabilisiert wird: Das Öl (also, ob es noch zugänglich ist) und die Angst, die den Menschen irrational handeln lässt. Dabei fällt auch der schöne Satz, dass die Anarchie nur drei Mahlzeiten entfernt ist. Gemeint sind natürlich drei Mahlzeiten, die es nicht gibt, weil die Lieferkette zusammengebrochen ist und der Nachschub fehlt. Verschärft wird alles dadurch, dass eine Minderheit mit Hamsterkäufen natürlich schneller war. Da wird dann der Mensch schnell dem Menschen ein Wolf (homo homini lupus), wie Thomas Hobbes es formuliert hat. Staaten könnten zerfallen und in die Herrschaft von Stämmen und Clans geraten.

Mit Logik und Vernunft ist unter der Herrschaft der Angst wenig zu erreichen, auch nicht bei sogenannten reflektierten Menschen, jedenfalls wenn das eigene Leben nachhaltig beeinträchtigt wird. Darum zum Schluss einfach ein Satz, den Jesus bei Johannes sagte: »Das habe ich euch gesagt, damit ihr bei mir Frieden findet. In der Welt habt ihr Angst. Aber fasst Mut, ich habe die Welt besiegt!«

24.01.2021




22.01.2021

So was

Es war nur ein Krimi im Fernsehen. Der Vater einer jungen Familie war verunglückt und gestorben, die Witwe und der Sohn standen vor dem Nichts, die Trauer war grenzenlos. Da sieht man in einer Szene den ca. 10-12 jährigen Sohn im Bett liegen und er sagt: »Lieber Gott, mach dass ich und Mama nicht mehr traurig sind. Mach, dass es Papa dort oben gut geht…« 

Da kommt die Mutter, er schiebt verschämt seine gefalteten Hände unter die Bettdecke. 

Die Mutter: »Was machst du denn da?«
Der Sohn: »Ich bete«.
Die Mutter: »Seit wann machst du denn so was
»Pastor X hat gesagt, das hilft, wenn man traurig ist.«
Die Mutter: »Ach, mein Schatz.«

Am nächsten Tag bringt der Pfarrer das Bild des Mannes, das bei der Trauerfeier aufgestellt war. Er fragt, ob er noch etwa für sie tun könne, manchmal helfe auch schon reden.
Darauf sie: »Mein Mann ist gerade einen völlig sinnlosen Tod gestorben - und sie wollen mit mir über Gott reden?«
Der Pfarrer: »Es geht mir mehr darum, dass Sie mit ihm ins Gespräch kommen.«
Die Frau: »Ich hab ihm aber nichts zu sagen.«
Der Pfarrer: »Wirklich gar nichts mehr?«
Die Frau: »Doch, eine Sache vielleicht … es wäre ganz nett, wenn er mal kurz vom Himmel steigen und mir ein wenig Geld vor die Türe legen würde, ich habe nämlich keine Ahnung, wie ich uns was zu essen machen soll.« 

Uns Sie? Machen sie auch »so was«? Oder halten Sie es eher mit der Mutter?

Die Frau spricht dann doch mit dem Pfarrer über ihre finanziell verzweifelte Lage, was diesen auf eine dumme Idee, dann auf die schiefe Bahn und weil das schief geht, direkt ins Grab bringt. Sein Mörder fragt ihn noch: »Glauben sie eigentlich wirklich an Gott?«
Er, erstaunt: »Ja, ich bin Pastor!«
Sein Mörder sagt: »Wie schön für Sie« - und erschiesst ihn. 

So war es mit Film, soweit es mir im Gedächtnis geblieben ist. Ich lerne daraus, wie Drehbuchautoren über Gott denken. Ich lerne: Wer »so was« macht, ist ein Exot. Und mit Gott zu reden erscheint vielen offenbar sinnlos. Der ironische Schluss: »Wie schön für sie!« ist aber - trotz der Handlung, die das Drehbuch vorgibt, wahr. Auch wenn Sie um Worte ringen müssen, versuchen Sie es doch mal, mit Gott zu reden. Sie werden mit der Zeit merken, ob das »schön für sie« ist.
Dann wissen Sie es wenigstens aus eigener Erfahrung.

P.S. Eine Freundin, ich seh sie lächeln dabei, schrieb mir, dass die Geschichte ja noch weiter ginge. Da hat sie recht: Am Schluss klopft es an der Türe der armen Witwe (keine Klingel, der Strom war ja abgestellt), und als sie öffnet, ist niemand da, aber ein grosser Umschlag liegt da, in dem ziemlich viele 50er Scheine sind. Sie blickt zum Himmel, ob dankbar oder skeptisch, kann ich nicht sagen. Aber da war nicht Gott heruntergestiegen, sondern das war Mafiageld. Ein Mafioso - im Film werden sie immer äusserst brutal oder aber charmant und italienisch schick und in diesem Fall sogar dankbar dargestellt - hatte für die erfahrene Hilfe dieses gute Werk getan. Aber woher kam das Geld? Drogengeld? Geldwäsche? Schutzgelder? Die Zinsen vom letzten Lotteriegewinn werden es nicht gewesen sein? Wirkt Gott Gutes durch unlauter erworbenes Geld? Oh, oh... Aber dann fällt mir ein, wie die Schweiz regiert wird: Hominum confusione et Dei providentia. Durch menschliche Verwirrung und Gottes Vorsehung. Vielleicht liesse sich mein Dilemma so abschwächen?  


18.01.2021 



17.01.2021

»Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist« (Lukas 6,36) 

- Ich weiss, dass das Folgende völlig einseitig ist, etwas überzogen und dass es viel mehr zu sagen gäbe! 

Kein linker Haken, keine Blutgrätsche 

Barmherzig, hm, was soll denn das heissen? Ich kenn’ nur unbarmherzig, das haben sie mal von einem Boxer gesagt: Der Unbarmherzige. Oder von einem Verteidiger im Fussball. Nee, das passt nicht. Käme irgendwie komisch, wenn man sagen würde, dass Gott auf den linken Haken oder auf die Blutgrätsche verzichtet - und wir sollen es deshalb auch tun. 

Ich schau mal im Internetwörterbuch nach. Was soll denn das? Hier kommt nur Barmbek. Aber mit einem Stadtteil in Hamburg hat das sicher nichts zu tun. Und dann noch barmen, klein geschrieben, dann ist das also nicht diese Stadt im Ruhrpott. Barmen heisst anscheinend: mit Mitgefühl erfüllen, jammern, lamentieren. Seltsam. Jammert, wie auch euer Vater am jammern ist? Geht gar nicht, das merk’ sogar ich. 

Wo ist denn das Wörterbuch? »Schatz, hast Du unser Wörterbuch gesehen?« »Linkes Regal drittes Brett von oben!« kommt es aus der Küche. »Findest Du’s, oder soll ich gleich kommen?« Da. Ich hab’s. Also, Barm-herzig-keit, ah ja, Barm heisst so was wie Schoss, oder tragen, halten, hegen. Das könnte gehen. Oder da: ein Herz für Arme haben. Ach und hier, klingt auch interessant: Barmherzigkeit sei das Bauchgefühl Gottes. 

Mal versuchen: Tragt, wie auch euer Vater trägt. Das klingt schon mal vernünftig. Oder so: Habt ein Bauchgefühl, wie Gott ein Bauchgefühl hat? Auch nicht schlecht, das hätte ich dem da oben gar nicht zugetraut. Klingt richtig menschlich, sogar besser, wir das meistens hinbekommen. Und ein Herz für Arme haben? Ja, gut, aber das ist wieder Standard. Da reden die von der Kirche immer davon, dass man was für Arme übrig haben soll. 

Also die Sache mit dem Bauchgefühl, das gefällt mir. Das kenne ich aus den Krimis. Da ist immer ein Kommissar, der alles mit dem Kopf macht. Und dann gibt es noch den anderen, der Sätze von sich gibt wie: »Mein Bauchgefühl sagt mir aber, er ist unschuldig.« Beweisen kann er’s nicht, aber ich weiss ja, wie das läuft. Der mit dem Bauchgefühl hat meistens recht. 

Das Bauchgefühl, das sammelt keine Beweise. Es wägt keine Gründe gegeneinander ab. Es ist nicht berechnend, es ist einfach da und lässt sich nicht den Mund verbieten. Die Kopfmenschen treibt das manchmal fast in den Wahnsinn.

Ich find’s gut. Denn die Kopfmenschen machen gerne den anderen Vorhaltungen. Was haben Sie dazu zu sagen? Und dazu? Ständig muss da einer beweisen, dass er Recht hat. Oder unschuldig ist. Solche Leute muss es wohl auch geben, aber zu denen halte ich lieber Abstand. 

Wäre Gott so ein Kopfmensch, könnte er uns Menschen ganz schön auflaufen lassen, mich wenigstens. Ist er aber anscheinend nicht. Denn er hat ein Bauchgefühl für uns, also auch für mich. Und dieses Bauchgefühl muss ein gutes sein, das mich in Schutz nimmt, das mir hilft. Ein Bisschen so, wie früher, auf dem Schoss der Mutter. Sicher, geborgen und getröstet.

Bloss gut, dass ich keine Angst vor Gottes linken Haken haben muss oder dass er mir in mein Leben reingrätscht und mich umhaut. Nein, er nimmt mich an der Hand, er hat ein Herz für mich, er hält und trägt mich und sorgt für mich. Das tut gut. Und ich soll’s auch so machen. 


13.01.2021

Zu staatsfromm? Zu wenig Gottvertrauen? II

Dieser Tage schrieb ein Freund einen Brief an unseren Landesbischof, wieso sich die Kirche nicht für die einsetzt, die gegen Korona geimpft werden könnten, aber dabei gewissermassen durch das Raster fielen, das sich unser Staat ausgedacht hat. Da hätten z.B. über 90jährige nur noch bedingt mobile Menschen aus dem südlichen Südbaden zum Impfen nach Stuttgart reisen sollen. Und auch die Bettlägerigen, die aber nicht in einem Heim wohnen, haben nur wenig oder gar keine Chancen, einen evtl. ergatterten Impftermin wahrzunehmen. 

Das war früher sicher einfacher, als etwa vier Freunde ihren gelähmten Freund mittels einer Decke zu Jesus trugen. Machen Sie das mal, nicht unbedingt bis Stuttgart, es reicht auch die Messe in Freiburg oder die Impfstelle in Müllheim. Wenn sie sich gleich auf den Weg machten, kämen sie vielleicht sogar rechtzeitig mit dem bislang fehlenden Impfstoff an. Doch woher nimmt man vier Freunde? Eben. Da sollte doch die Landeskirche ihre Stimme erheben und um eine Nachbesserung der Impfpraxis für die ganz Alten werben. 

Gleichzeitig kritisieren andere, es reiche nicht, wenn sich die Kirche einreihe in die Gemeinschaft psychischer und sozialer Dienstleistungen. Dazu würde eine »Impfintervention« wohl auch gehören… Wem sollte man also lieber Folgeleisten? Oder wäre es besser, hier nicht auf ein Entweder-Oder zuzusteuern? 


12.01.2021

Verwandt 

Da fühlte sich eine Querdenkerin wie Sophie Scholl. Wegen der Koronamassnahmen, also, weil sie eine Maske tragen muss, sich nicht mit jedem treffen darf usw., wir wissen ja, was im Augenblick gilt. 

Vielleicht machen sich manche die Mühe und schauen mal nach, was das mit Sophie Scholl war. Der sog. Volksgerichtshof unter Roland Freisler hatte sie angeklagt wegen: 

…landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat, Wehrkraftzersetzung… 

Es wurde folgendes Urteil gesprochen: 

Die Angeklagten haben im Kriege in Flugblättern zur Sabotage der Rüstung und zum Sturz der nationalsozialistischen Lebensform unseres Volkes aufgerufen, defaitistische Gedanken propagiert und den Führer aufs gemeinste beschimpft und dadurch den Feind des Reiches begünstigt und unsere Wehrkraft zersetzt. Sie werden deshalb mit dem T o d e bestraft.

Da sind wir froh, dass diese gefühlte Verwandtschaft doch nicht ganz so eng sein muss, denn zum Glück hat sie kein Volksgerichtshof angeklagt oder verurteilt. Sie darf weiter öffentlich ihre Meinung vertreten. Sogar ein Schweigemarsch für hat man geplant, man sollte Kerzen mitbringen. Die schlimmste Strafe für ihre Einstellung war ein sog. Sch…-Sturm. Aber der war nicht staatlich verordnet. Und mann musste ihn nicht mal lesen. 

Ich denke bei solchen Vergleichen, daran, was Jesus sagte: »Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie reden« (Matthäus 12,26). Ja, ich weiss, ich selber werde da auch für manches Rede und Antwort stehen müssen. 


11.01.2021

Zu staatsfromm? Zu wenig Gottvertrauen? 

Ja, es kann schon schwierig sein. Die einen werfen den Kirchen vor, zu staatsfromm zu sein und einfach alles zu machen, was der Staat ihnen nahelegt oder sie gehen sogar darüber hinaus und feiern im shut-down einfach keine Präsenzgottesdienste. 

Die anderen in ihrer unglaublichen Weisheit füllen die Leserbriefspalten mit Bemerkungen, warum die Kirchen eigentlich noch die Orte sein dürften, an denen das Virus fröhlich verbreitet werden könne? 

Mir fällt für heute nur eine Kalendergeschichte von Johann Peter Hebel ein: 


Ein Mann reitet auf seinem Esel nach Haus, und läßt seinen Buben zu Fuß nebenher laufen.

Kommt ein Wanderer, und sagt: »Das ist nicht recht Vater, daß Ihr reitet, und laßt Euren Sohn laufen; Ihr habt stärkere Glieder«. 

Da stieg der Vater vom Esel herab, und ließ den Sohn reiten. 

Kommt wieder ein Wandersmann, und sagt: »Das ist nicht recht, Bursche, daß du reitest, und lässest deinen Vater zu Fuß gehen. Du hast jüngere Beine.« 

Da saßen beide auf, und ritten eine Strecke. 

Kommt ein dritter Wandersmann, und sagt: »Was ist das für ein Unverstand, zwei Kerle auf einem schwachen Tiere; sollte man nicht einen Stock nehmen und euch beide hinabjagen?«

Da stiegen beide ab, und gingen selbdritt zu Fuß, rechts und links der Vater und Sohn, und in der Mitte der Esel. 

Kommt ein vierter Wandersmann, und sagt: »Ihr seid drei kuriose Gesellen. Ist's nicht genug, wenn zwei zu Fuß gehen? Geht's nicht leichter, wenn einer von euch reitet?«

Da band der Vater dem Esel die vorderen Beine zusammen, 

und der Sohn band ihm die hintern Beine zusammen, 

zogen einen starken Baumpfahl durch, der an der Straße stand, und trugen den Esel auf der Achsel heim.







03.01.2021






01.01.2021



31.12.2020 - Altjahrsabend 

Silvester 2020.pdf (511.37KB)
Silvester 2020.pdf (511.37KB)






29.12.2020

Privilegiert 

Privileg, das, ist ein Vorrecht, das einer einzelnen Person oder einer Personengruppe zugeteilt wird, so lehrt uns das Lexikon. Einer oder einige dürfen etwas, was dem ganzen Rest verwehrt ist. Das dürfte nicht immer einfach sein, denn so etwas weckt Neid und macht eifersüchtig. 

Trotzdem streben Menschen danach. Schon ist die Rede von Privilegien für Corona-Geimpfte. Sie wollen wieder das dürfen, was sie vorher durften, was den anderen aber, ohne Impfung, weiter verboten ist: Après Ski, Party, Disco, aber auch Konzerte, Kino und Theater, suchen Sie sich etwas aus. 

Medizinisch ist das erst einmal nicht haltbar, denn noch muss man davon ausgehen, dass auch Geimpfte andere anstecken können. Aber natürlich, wir wollen unser »altes Leben« zurück. 

Als ob es das gäbe. Wir können hinter verschiedene Erfahrungen nicht zurück, weil sie uns bleibend prägen. So werden wir wohl auch nicht »hinter Corona zurück« können. Wenn es irgend einen Nutzen haben könnte, dann vielleicht den, dass es gut wäre, unser Leben oder erst einmal den Lebensstil darauf hin zu überprüfen, ob er auf Dauer so haltbar ist. Nein, nicht nur für uns, sondern auch für diese Welt. Was dabei wohl herauskäme? 

Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern das er diene… (Markus 10,45). Was für ein Privileg.


28.12.2020

Stumpf

Die junge Generation beschwert sich: Man nehme sie und ihre Probleme in der Pandemie nicht wahr, schreibt eine Wochenzeitung. Dazu bietet sie viele Zitate, und schon geht eine wilde Schlacht in dem los, was früher die Leserbriefe gewesen wären und was heute bequem und natürlich anonym per Mail oder direktem Eintrag in den sog. Foren erledigt wird. 

Tatsächlich werden gleich mit grosser Leidenschaft Gräben ausgehoben mit Vorwürfe, dass »die Alten«, einfach ihre Besitzstände bewahren wollen (die wollen mit ihrem 2t SUV weiter 250 Km/h auf der Autobahn fahren), und »die Jungen« wären schlicht und ergreifend weinerlich und sie sollten sich nicht so anstellen, denn es habe früher auch immer Krisen gegeben, so alle 10 Jahre, wird dann festgestellt. 

So hebt eine munteres Vergleichen an: Welche Chance hatte man denn 1945? Und welche 1967 (das nannte man damals die Konjunkturkrise)? Welche Chance hatten die Jungen, die sich selber die »no future« Generation nannte? 

Da gehen Argumente der Jungen fast unter, die sich beklagen, sie hätten nun über ein halbes Jahr studiert und ihre MitstundentInnen noch nie gesehen. Ab und zu wird noch an die drohende Klimakatastrofe erinnert. 

Tatsächlich werden viele von denen, die heute Verantwortung tragen (und von uns gewählt wurden), die Folgen ihres Handelns nicht mehr erleben müssen. Da wird genau das wahr, was der Profet Hesekiel schon zitiert: »Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden« (Kap. 18)?

Dort schiesst der Profet scharf: »So wahr ich lebe, spricht Gott der HERR: Dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel. Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter (& Mütter) gehören mir so gut wie die Söhne (& Töchter); jeder, der sündigt, soll sterben« (Kap. 18). 

Gibt es eine Lösung? Nun, bei Hesekiel ist sie »biblisch einfach«: »Wenn einer gerecht ist und Gerechtigkeit übt … das ist ein(e) Gerechte(r), der soll das Leben behalten«. Das wäre ein Ansatz. Aber leider ist er für die Mehrheit wohl so anstrengend, dass er eine stumpfe »Waffe« bleiben wird.


27.12.2020

1. SpW 2020.pdf (315.86KB)
1. SpW 2020.pdf (315.86KB)






26.12.2020






25.12.2020






24.12.2020

 






22.12.2020

Unvorhersehbar

Corona-Zeit, wenig Begegnungen, keine wirklichen gemeinsamen Feiern, auch nicht im Advent. Was also tun? Man könnte natürlich nach draussen. Lieder, Adventslieder singen, im Freien ging das ja noch, bis vor einigen Tagen. Es klappt, man trifft sich in den kleinen Strassen, manche haben Instrumente dabei und andere Kerzen, einige haben Texte und Taschenlampen. So gelingt es, verschiedene Adventslieder zu singen. Alle sind angetan. Die Stimmung ist gut.

Später sagt jemand: Die Lieder sind aber schon sehr kirchlich. Wie bitte? Ja, es kommt doch so oft das Wort Gott darin vor! 

Also: In Zukunft als Adventslieder nur noch: I’m dreaming of a white christmas, Jingle bells, Let ist snow und, genau: In der Weihnachtsbäckerei. Da können Sie auf der Zutatenliste nachsehen, garantiert frei von Gott. Können Sie bedenkenlos singen.


20.12.2020 - 4. Advent

Nachahmen 

An diesem Sonntag hätte Pfr. Hajo Demuth den Gottesdienst in unserer Gemeinde gehalten, wenn es denn möglich gewesen wäre. Hier ein Auszug aus seiner Predigt über die Ankündigung der Geburt Jesu (Lukas 1,26ff):

… in der Tat, wir haben Gottes Hilfe bitter nötig, auch wenn hohe Politiker hin und wieder meinen und kund tun, sie kämen ohne sie aus. Denn überall, wo der Mensch es ohne Gott versucht, geht es daneben … 

Gottes Odem, Gottes Geist ist es, der aus uns einen Menschen macht, ein Bild, das ihm gleicht, sonst nichts. Wer sich Gottes Geist nicht öffnet, bleibt eben trotz allen Verstandes, trotz aller Genialität unmenschlich … 

Hilf kommt nicht aus uns selbst. Hilfe kommt, wenn wir uns bestimmten lassen von Gott und seinen Regeln… 

Wie ist das möglich, eine Welt und ein Leben, wo Liebe alle Lieblosigkeit überwindet; wo Hoffnung alles Leid besiegt; wo Freude allen Kummer umfängt; wo Wahrhaftigkeit alle Lüge vertreibt; wo Friede allen Hass verdrängt; wo Glaube allen Zweifel verjagt?…

Darum kommt Gott zu uns. Nichts anderes kündigt der Engel an. Maria, dieses Mädchen aus Nazareth, steht in diesem Augenblick für die ganze Menschheit. Und in ihr Leben, in unser Lebern will Gott eindringen, Raum gewinnen, Gestalt annehmen. …

Die Frage ist nur, ob wir’s in uns wachsen lassen, wie ein Kind wächst. Maria öffnet sich dem Heiligen Geist: »Mir geschehe, wie du gesagt hast«. Für diese Bereitwilligkeit, Gott in sich aufzunehmen und in sich wachsen zu lassen und »zur Welt« zu bringen, wird sie in der Geschichte der Kirche als leuchtendes Beispiel hoch gehalten…

Beispiele sind dazu da, dass man sie nachahmt…


19.12.2020

Verziehn

In die Apotheke, es gebe nun Masken, kostenlos, für die Risikogruppen, auch für die 60+! Fast, so berichtet die farmazeutische Fachangestellt, wäre es zu Handgreiflichkeiten gekommen, weil die Masken ausgegangen waren, der Grund war die Unbrauchbarkeit einer gelieferten Charge. 

Aber wie kann das sein, dass ich etwas nicht bekomme, was mir zusteht, wie kann das sein, dass ich noch einmal den Weg in die Apotheke machen muss und wie kann das sein, dass die vor mir noch die letzten bekommen haben, ich aber, ausgerechnet ich, gehe leer aus? Da hat man schon mal das Recht, laut zu werden und die eigenen Interessen durchzusetzen, mit den Mitteln, die mir angemessen erscheinen. Das musste mal gesagt sein. 

Was bleibt von der Menschlichkeit noch übrig, die uns unsere Eltern einst anerzogen hatten, wenn das Leben unbequem und unsicher wird? Sollte das Zitat, das man dem alten Goethe nachsagt, doch recht behalten, das besagt, »nur auf der Höhe ist der Mensch Mensch«? Nur, was ist der Mensch, der nicht auf der Höhe ist? Ist er ein Tier? Das wird wohl kaum einer wagen zu behaupten, denn dann bekäme er wahrscheinlich Ärger mit Organisationen wie der PETA. In der Tat, wir sollten Tiere nicht beleidigen. 

Am Ende macht die Pandemie mit uns das, was wir bei Adelbert von Chamisso finden: »Die wir dem Schatten Wesen sonst verliehn, sehn Wesen jetzt als Schatten sich verziehn«.

Im Buch Genesis wird erzählt, dass einst bei Abraham und Sarah unverhoffter Besuch aufgetaucht sei. Abraham geht ihm entgegen und sagt: »Herr, hab ich Gnade gefunden vor deinen Augen, so geh nicht an deinem Knecht vorüber. Man soll euch ein wenig Wasser bringen, eure Füsse zu waschen, und lasst euch nieder unter dem Baum. Und ich will euch einen Bissen Brot bringen, dass ihr euer Herz labt; danach mögt ihr weiterziehen« (Genesis 18,3ff).

So geht es auch: »Habe ich Gnade gefunden vor deinen Augen…«. Ja, ich weiss, niemand würde sich heute mehr einem anderen gegenüber als »Knecht« bezeichnen. Aber wieviel menschlicher wäre es, wenn wir im Sinn der kleinen Begebenheit miteinander umgingen? Und es wäre noch besser, wenn dann - ganz unverhofft - Gott etwas von seiner Freundlichkeit und Barmherzigkeit in unser Leben hineinlegt (was er damals auch getan hat)? Dann bräuchte sich die Menschlichkeit auch in einer Pandemie nicht mehr zu verziehn. 

Da klingelt der Wecker und ich wache aus meinem Traum auf…


18.12.2020

Die »verdammte Angst« II

Haben wir alles in der Hand? Können wir garantieren, was gewünscht wird? Haben wir den ultimativen Impfstoff? Natürlich nicht. Ich kann ihnen nicht sagen, ob Sie Corona bekommen werden und ob sie es überleben. Oder ob Sie Schäden zurückbehalten. Viele Fragen und wenige Antworten. Wenn Sie aber etwas gegen die Angst suchen, dann hätte ich da etwas vom Apostel Paulus: 

Wir stehen von allen Seiten unter Druck,
aber wir werden nicht erdrückt.
Wir sind ratlos,
aber wir verzweifeln nicht.
Wir werden verfolgt,
aber wir sind nicht im Stich gelassen.
Wir werden zu Boden geworfen,
aber wir gehen nicht zugrunde. …

Das ist der Grund, weshalb wir den Mut nicht sinken lassen. Unsere menschlichen Kräfte werden zwar aufgezehrt. Aber innerlich gekommen wir Tag für Tag neue Kraft.

2. Korintherbrief 4,8+16 (Basisbibel) 


17.12.2020

Die »verdammte Angst«

»Was hätte es den Menschen bedeutet, wenn die Kirche zu ihnen gesprochen hätte? Nicht über Streaming-Andachten und leere Weihwasserbecken. Sondern über die Angst, diese verdammte Angst. Über die Trauer und das Alleinsein. Über die Frage, wo eigentlich gerade Gott ist?« - so stand es in der Süddeutschen Zeitung. 

Also gut, reden wir über die »verdammte Angst«: Letzter Tag vor dem erneuten lock-down. Ja, sie waren nochmal in die Stadt. Erst auf dem Heimweg sind es dann weniger Menschen. Einer kommt ihnen entgegen. Misstrauisch schaut er sie an. Sie tragen beide Masken. Aber er macht erst recht einen grossen Bogen um Sie und wechselt auf die andere Strassenseite. Als Sie sich erstaunt umdrehen, wechselt er gerade wieder zurück. Angst.

Anscheinend verhält es sich mit der Angst vor diesem Virus anders als mit der Angst vor einer Prüfung oder früher vor einer Klassenarbeit. Da wusste man ungefähr, was kommen könnte und wie gut oder schlecht die eigenen Vorbereitungen waren, was dann freilich auch Angst hervorrufen konnte. 

Aber nun dieses kleine Virus, das nur ein Ziel hat, sich zu reproduzieren. Dass wir dabei drauf gehen können, interessiert es nicht. Das macht Angst. So etwas verdirbt die Menschlichkeit. Pflegende, die das Virus ja vielleicht »mir anhängen« könnten, werden verdächtigt oder geschnitten und sozial isoliert. Ja, so sind wir Menschen. Das hat nicht einmal AIDS in dieser Form geschafft. 

Wie ist das mit der Angst vor dem Virus, vor der Beatmung, vor der zerstörten Lungen und dem dann unausweichlichen Tod? Die einen sagen, das Virus sei eine Strafe Strafe Gottes, die anderen nennen es eine Strafe der Natur, die wir aus dem Gleichgewicht gebracht hätten, je nach Standpunkt. Die Angst ist dieselbe. Angst braucht ein Gesicht. Sonst haben wir wenig Chancen gegen sie. Das ist in diesem Fall noch schwieriger als sonst. 

Es könnte aber sein, dass wir von einer sehr persönlichen Erfahrung des Wandermissionars Paulus profitieren: 

In allem sind wir bedrängt, aber nicht in die Enge getrieben, ratlos, aber nicht verzweifelt, verfolgt, aber nicht verlassen, zu Boden geworfen, aber nicht am Boden zerstört (2. Brief an die Gemeinde in Korinth, Kap.4,8f, Zürcherbibel). 

Warum? Ein wenig später fährt er fort: 

Darum verzagen wir nicht: Wenn auch unser äusserer Mensch verbraucht wird, so wird doch unser innerer Mensch Tag für Tag erneuert (4,16).

Klingt Ihnen das zu fantastisch? Nun, es kommt noch mehr davon: 

Denn wir wissen: Wenn unser irdisches Haus, das Zelt, abgebrochen wird, dann haben wir eine Wohnstatt von Gott, ein nicht von Menschenhand gemachtes, unvergängliches Haus im Himmel (5,1).

Keine Flucht aus dem Leben in ein Jenseits. Er weiss, was auf ihn wartet, also kann er unerschrockener leben. 

Ja, sicher, die einen werden jetzt mit René Goscinny sagen: »Ils sont foux ces chrétiens« (Sie wissen schon: Die spinnen, die…), die anderen versuchen es einfach damit.


16.12.2020

»Alle Jahre wieder…«

… kommt die Pandemie? Wird das unsere Zukunft sein? Aber nein, so ein Kalauer ist nun wirklich zu billig. Es geht aber noch billiger. Gestern dachte ich mir: »Morgen, Kinder, wird’s was geben …« Und was gab es? Den Lockdown, genauer, den zweiten richtigen und vorher noch den lockdown light, der wenig bis nichts geholfen hat, besonders hier nicht, in der Grenzregion und keiner weiss, wieso eigentlich, es sei ein diffuses Geschehen. So genau wollten wir das eigentlich nicht wissen. 

Um was ging es bei diesen vielleicht schon abgenutzten Liedern?

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind
Auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind.

Kehrt mit seinem Segen ein in jedes Haus,
Geht auf allen Wegen mit uns ein und aus.

Steht auch mir zur Seite still und unerkannt,
Daß es treu mich leite an der lieben Hand.

Wenn man den Zuckerguss wegnimmt, dann bleibt immerhin soviel, dass »das Kind« uns begleitet. »Kommt her zu mir, ihr alle, die ihr euch abmüht und belastet seid. Bei mir werdet ihr Ruhe finden« (Mt.11,28, Basisbibel), sagte »das Kind« einmal und sagt es noch. 

In Gedanken mit ihm reden - gut, von mir aus auch laut, aber es muss ja nicht so sein wie bei den Leuten, die ihr Mobiltelefon vor sich hertragen und dabei laut reden und ich mich umschaue: Mit wem reden die da? Bin ich gemeint? Nur gut, dass mich der Inhalt meist ganz schnell belehrt, nein, damit kann ich nicht gemeint sein.

Lesen Sie, was sie vom »Kind« kriegen können. Das beruhigt die Seele (gut, wo nötig, schreckt es auch auf…). 

Das andere Lied ist da etwas schwieriger. Beispiel gefällig? 

Wißt ihr noch mein Räderpferdchen,
Malchens nette Schäferin,
Jettchens Küche mit dem Herdchen
und dem blankgeputzten Zinn?
Heinrichs bunten Harlekin
mit der gelben Violin?

O, da wird es schwer, nicht ironisch zu werden: 

Wisst ihr noch, die Pandemie kam,
und der Schnelltest obendrein?
Nur nicht niesen, Hände waschen
Masken tragen o wie fein.
Der lockdown hüllt alle ein,
die Geschäfte gehen ein.

O man, lassen wir das. Es ist schlimm genug. Was wichtig und richtig wäre, wissen immer alle -hinterher. Was wurde wieder kritisiert, was über den Sommer alles versäumt worden sei. Stimmt wohl auch. Aber wo waren da die mahnenden Stimmen? Ich muss das überhört haben. Meine Schuld.

Wie sagt das Kind: »Und was ich euch zu tragen gebe, ist keine Last.« Wenn ich jetzt nicht anfange, damit herumzujonglieren, wer denn uns nun diese Pandemie und ihre Folgen zu tragen gibt, dann ist der Satz »des Kindes« im Augenblick eher schwer. Ich probiere es trotzdem damit. 



Samstag, den 31.10.2020

Nichts 

Nun also wieder in die die Isolation. Man will retten, retten (frei nach Georg Büchners Lenz), und schafft Einsamkeit. Fast erinnert mich das an Brecht, auch wenn der Vergleich nicht erlaubt ist, denn ich wäre ja von Sinnen, würde ich unser Koronaproblem vergleichen mit dem Schrecken des dritten Reiches, aber trotzdem: 

»Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut

In der wir untergegangen sind
Gedenkt
Wenn ihr von unseren Schwächen sprecht
Auch der finsteren Zeit
Der ihr entronnen seid.«

Ja, wann tauchen wir wieder auf? Wenn sich nichts ändert, wird das noch Jahre so gehen, und zweimal im Jahr müssen die (Infektions-)Welle gebrochen werden und wer zahlt all die Schulden, mit denen unser Staat in bester Absicht hinterher gerne alles so schnell wie möglich wieder wie vorher werden lassen will? 

Die Welt ist aus dem Gleichgewicht. 

In der ersten Fassung des Tunnels schreibt Dürrenmatt: »Gott liess uns fallen, und so stürzen wir denn auf ihn zu.« 

Später hat er diesen Satz gestrichen und jetzt heisst es nur: »Was sollen wir denn tun? - Nichts.« 

Vielleicht ist es ihm gegangen wie Heinrich Bölls Professor Bur-Malottke in der Satire »Dr. Murkes gesammeltes Schweigen«, den die religiöse »Begeisterung« der Nachkriegszeit schon wieder zu verlassen beginnt und der darum in seinem Vortrag das Wort »Gott« jedesmal durch die Formel »jenes höhere Wesen, das wir verehren« ersetzt haben will. Nur zu dumm, dass dadurch sein Vortrag länger wird und dafür gibt es keine Zeit, denn gleich danach kommt pünktlich die Sportberichterstattung, die keine Sendezeit preisgeben wird. Das sind Schicksale… 

Na, dann stürzen wir eben nicht auf Gott zu sondern auf- was? 

Dabei lässt uns Gott gar nicht fallen, denke ich mir, heute, am Reformationstag. Martin Luther schrieb in seiner Ballade »Nun freut euch, lieben Christen gmein«: 

Er sprach zu mir: »Halt dich an mich, es soll dir jetzt gelingen; ich geb mich selber ganz für dich, da will ich für dich ringen; denn ich bin dein und du bist mein, und wo ich bleib, da sollst du sein, uns soll der Feind nicht scheiden.«

Ja, ich weiss, manche stürzen lieber weiter und tun nichts. Das ist jedermanns und jederfraus eigene Entscheidung. 

Ich für meinen Teil halt mich lieber an ihn… auch wenn dann Atheisten wieder sagen werden: »Seht, was für ein Zeichen der Schwäche!«


Donnerstag, den 20.10.2020

Noch nie 

Wir machen etwas durch, was wir noch nie durchgemacht haben. Ich vergleiche das nicht mit anderen Zeiten, als es entsetzliche Hungersnöte gab, als nach dem dreissigjährigen Krieg ein Drittel der Bevölkerung in »Deutschland« tot war, auch nicht mit den Pestepidemien im Mittelalter. Ich denke nur an unsere Zeit, in der es, trotz zahlreicher Kriege, für eine Mehrheit immer weiter aufwärts ging. So funktioniert unser Leben: Mehr, schneller, effizienter, billiger… usw. 

Jetzt aber stimmt das nicht mehr, seit dem März jedenfalls. Es wurde und wird viel getan um alles wieder »in den Griff« zu bekommen, aber zumindest bis jetzt gelingt es nicht. Zumindest bis jetzt gibt es keine Tablette und keine Spritze, die dafür sorgt, dass wieder alles wie vorher wird. Sicher, wir wünschen uns das und sind der Einschränkungen längst müde. Dass viele sich wegen dieser »Müdigkeit« ab einer bestimmten Zeit nicht mehr daran gehalten haben, hat seine Folgen und es wird um so heftiger deutlich, dass nichts einfach wieder so wie früher werden wird. 

Jetzt müssen wieder Feste und Feiern abgesagt werden, Taufen werden verschoben, Hochzeiten, und, von nationaler Tragweite, sogar die Fassnacht. 

Einige sagen, es müssten eben alle einmal diese Krankheit gehabt haben, dann erst werde es wieder besser. Hätte jemand den Mut, das »durchzuziehen«? Aber mit welcher Autorität? Und wenn das schief ginge und die Menschen reihenweise mit Atemnot im Sterben liegen? Wer wollte und könnte das tragen? 

Noch nie heisst, dass wir uns umstellen müssen, für länger oder vielleicht sogar für immer? Wir lernen ausserdem wieder, wie irrational die Angst macht und dass die Angst über Nacht nicht nur Vorsicht, sondern Denunzianten hervorbringt. Auch das eine Umstellung, und was für eine. Gar nicht zu reden, dass manche Erwerbsberufe für’s Erste keine Zukunft mehr zu haben scheinen. 

In der alten Erzählung vom Paradies und wie es verloren ging, wird nicht nur erzählt, dass Gott (wie bisweilen die griechischen Götter) Angst davor gehabt habe, dass die Menschen zu mächtig, ja sogar wie er würden (Genesis 3,23) und sogar ewig lebten. Dabei ist das »sein wie Gott« an dieser Stelle nicht so attraktiv, wie es scheinen will, denn damit war gemeint, dass der Mensch nunmehr wisse, was gut und böse ist, eine Erkenntnis, an der wir uns heute noch abarbeiten. 

Das Ende kennen wir, die beiden »fliegen« aus dem Paradies »raus« und stehen nun vor einem Leben mit viele Arbeit, Schweiss und Mühe. So etwas hatten sie auch noch nie erlebt. 

Vorher gab es aber noch eine - wenigstens mich - anrührende Szene, in der Gott Adam und Eva Kleider anfertigte, weil sie nun offensichtlich mit ihrer paradiesischen Nacktheit nicht mehr unbefangen umgehen konnten (Genesis 3,10+21). Gott lässt sie also in die neue, völlig unbekannte Zukunft nicht ungeschützt gehen (die Kleider brauchen sie künftig auch als Schutz in der neuen, rauen Welt). 

Ob das nicht ein Hinweis darauf sein könnte, dass Gott seine Menschen noch nie ungeschützt hat gehen lassen, sondern das sie immer das mitbekommen, was sie brauchten, um im Neuen, Fremden zu bestehen? Eins war auch Adam und Eva klar: Wie früher würde es nicht mehr werden.


Mittwoch, den 07.10.2020

Weiter geht’s!

Eigentlich hatten viele gehofft, dass es nun bald vorbei wäre mit der Pandemie. Wir hatten uns schon an die »neue Sorglosigkeit« gewöhnt, in manchen Gaststätten wurde auch schon mal vergessen, die Namen aufzuschreiben, nachdem es vorher schon einige für originell hielten, mit Donald Duck oder Mickey Mouse zu unterschreiben, Wohnsitz natürlich Entenhausen. 

Aber dann waren die Ferien vorbei und die Fallzahlen steigen seither. Sogar einen der grössten Leugner der Pandemie oder des Virus überhaupt hat es eingeholt, er musste tatsächlich ins Krankenhaus und feiert nun die Wiederaufnahme seiner Amtsgeschäfte wie eine Auferstehung. Hätte das Jesus so gemacht, hätten sie ihn wohl nur ausgelacht, damals. Ihm wird auch diese Inszenierung noch geglaubt, heute, fürchte ich. Obwohl vermutlich noch ansteckend, ist er, was das Maskentragen betrifft, konsequent inkonsequent. Wo von manchen so gerne von fake news gesprochen wird, wenn ihnen etwas nicht passt, überlege ich mir, ob es auch eine fake reality gibt? Da wäre sie dann. 

In unserer Kirche aber wirkt die Pandemie wie ein Katalysator. Was später und sanfter erwartet wurde, kommt nun früher und heftiger. Ein Kollege hat schon den Begriff der »palliativen Ekklesiologie« (Lehre von der Kirche) in die Diskussionen geworfen. Sie haben sich nicht verlesen. Genau, es gibt doch diese Palliativstationen, wo Sterbenskranken der letzte Lebensabschnitt so erträglich wie möglich gemacht werden soll. Ob also die Kirche auch …? Richtig, sagt er. Nur dass er nicht glaubt, dass die Kirche sterben wird, sehr wohl aber die augenblickliche Form der Kirche. Da mag er wohl recht haben. Sollte uns das Angst machen? Vielleicht schon. Vielleicht aber auch nicht. In einem Gebetbuch heisst es: »Gott des Endes, das, von dem wir dachten, es höre nicht auf, ist zu Ende. Und wir finden uns selbst hier und wundern uns, wo wir sind, wie wir hierher gekommen sind, und wohin wir von hier aus gehen sollen. … Hilf uns zu verstehen, was heute geschieht. Denn du weisst alles über das, was heute endet. Und du fürchtest dich nicht.« 

Weiter geht’s? Nein. Etwas Neues? Gerne. Er fürchtet sich nicht.

(Das Gebet steht in: »Daily prayer« with the Corrymeela Community - von Pádraig Ó Tuama. Canterbury Press) 


Freitag, 03.07.2020

Mehr Sand! 

Ja, sicher, es ist noch nicht vorbei. Jetzt, wo man so langsam nicht mehr weiss, ob man über die »Kopfgeburten« der Verschwörungstheoretiker lachen oder entsetzt sein soll, wo sich die die aggressive Ablehnung staatlicher Verordnungen nicht nur in öffentlichem »Ungehorsam« sondern auch in Gewalt äussert, schaut anscheinend niemand dieser Besserwisser und Tieferblicker in die USA, wo es neue Rekordzahlen an Infektionen gibt. Alle wissen, was wirklich los ist. Nur der Präsident will es nicht wissen. Dort ist man uns halt wieder voraus. Bei uns zeigen nur die oben genannten Gruppen so ein Verhalten, ja, auch die »blauen« Politiker, aber dort schafft man es so ins höchste Staatsamt und könnte sogar dort bleiben. Da steht uns noch was bevor, wenn wir auch das noch übernehmen sollten. 

Fast meint man, es sei schon an der Zeit, auf die Pandemie zurückzublicken. Es wäre verfrüht, aber eines kann man jetzt schon sagen: Noch nie habe ich eine Begründung häufiger gehört für alles und jedes… Auch jetzt noch haben Ämter mit sehr bescheidenem Publikumsverkehr - seien wir mal vorsichtig - sehr eingeschränkte Öffnungszeiten. Wegen C… Dazu haben Firmen jetzt endlich einen unanfechtbaren Grund für Entlassungen, sie wissen schon, wegen C… Bosch, ZF und andere mehr. Das Handwerk stehe unter Druck, habe ich diese Woche wieder gelesen. Nur dass der Satz so nicht ganz richtig ist. Neben denen mit heftigen Problemen stehen andere Betriebe unter dem Druck, dass sie zuviele Aufträge haben. Aber was soll’s, sie wissen schon, wegen C… 

Wir in der Kirche aber versuchen es richtig zu machen. Wir halten keine Reden wie mancher Pastor andernorts, dass Gott es natürlich nie zulassen würde, dass sich jemand im Gottesdienst anstecke. Die Einschnitte sind - wenigstens für mich - schmerzhaft, auch wenn man von mancherorts geschossenen kirchlichen Eigentoren absieht, weil man den Gottesdienst als »nicht relevant« abtat. Eine Person im Pfarrdienst (würden die SprachgerechtlerInnen sagen) sprach sogar vom Abendmahlsfasten, für das sie sich entschieden habe. Was diese Person wohl sagen würde, wenn jemand ein wenig weiter denkt und meint: »Hervorragende Begründung, und ich mache weiter mit Bibelfasten und Gottesdienstfasten und werde irgendwann sogar Kirchenfasten und austreten?« 

Schnell fliehe ich zum guten, alten Petrus, der nicht nur bisweilen ein Grossmaul war, sondern auch sehr kluge Sachen sagte: »Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann (und Frau!) der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist, und das mit Sanftmut und Ehrfurcht (1. Petrusbrief 3,15). Wenigstens das können wir ohne Auflagen tun. - Ach, Sie warten noch, was die dumme Überschrift soll? Den Sand schicken wir an verschiedene Stellen, damit man dort wenigstens genug davon hat, um den Kopf in selbigen hineinstecken zu können. Den Sand lassen wir natürlich testen, ob er keimfrei ist.


Sonntag, 14.06.2020

Ist das Kunst…?

… oder kann das weg?

So lautet eine spöttische Bemerkung von Menschen, die zu moderner Kunst keine rechten Zugang finden. Berühmt geworden sind in diesem Sinne die »Fettecke« von Josef Beuys, die ein Hausmeister entfernte und auch seine Badewanne, die nicht als Kunstobjekt erkannt wurde: »Wir dachten, das alte Ding könnten wir schön sauber machen und benutzen, um darin unsere Gläser zu spülen, so wie die aussah, konnten wir sie nicht gebrauchen. Deshalb haben wir die Wanne geschrubbt.« 

Und schon waren zwei moderne Kunstwerke verschwunden bzw. zerstört. Es gab Prozesse und Schadensersatz. Die Kunstwerke aber waren weg bzw. die Reste der Fettecke wurden in einer sog. »Performance« umgewandelt. 

Da wir in diesen Zeiten vor allem das »Systemrelevante« bewahren, auf das andere aber verzichten wollen oder müssen, könnte man diese Frage auch noch weiterspinnen: 

»Ist das systemrelevant - oder kann das weg?« Da könnte man eine schöne Tabelle aufstellen: 

                                                         systemrelevant         kann weg


Autos                                                                

Südseeurlaub                                                                     

Diskothekenbesuch                                             

Vereinsfest                                                         

Mitgliederversammlung                                        

Kindergarten                                                       

Gottesdienst                                                        

Fussballspiel                                                        

Autorennen                                                         

die Kirche überhaupt                                            

Theaterbesuch                                                     

Kino                                                                    

Wo würden Sie Ihre Kreuzchen setzen? 

Manchmal ist es auch schwierig, wer das festsetzt, was »systemrelevant« ist. Gottesdienste sind das nicht gewesen (eine evang. Landeskirche hat sich nicht entblödet, das sogar so zu sagen), offen Baumärkte aber schon. Bei solchen Überlegungen wird schnell deutlich, was bei uns welchen Stellenwert hat. Immerhin haben wir die Möglichkeit, unsere Meinung dazu zu sagen. Nein, nicht durch die Verschwörungstheoretiker organisierte Demonstrationen, sondern im dem wir - im Rahmen des Erlaubten - bestimmte Dinge wieder nutzen. Was keiner zu brauchen scheint, kommt sonst wirklich irgendwann weg…


Samstag, 06.06.2020

Schaut nur (herab)

Ein wenig Überheblichkeit tut doch ganz gut? Da geht es einem gleich besser? Weil man jemand hat, auf den man herabschauen kann? 

Also schauen wir herab auf den Politiker, der sein Volk nicht einen will, sondern spalten, damit er die nächste Wahl gewinnt. Der kaum ein Wort des Bedauerns findet für einen Menschen, der durch rassistische Polizeigewalt ums Leben kam. Und wenn wir schon dabei sind, schauen wir gleich noch herunter auf die Menschen, die so jemand gewählt haben und vielleicht sogar wiederwählen. Wie kann man nur?

Szenenwechsel: 

In der Wiesentalbahn, zwei ältere Damen: 

»Es ist unglaublich, was die in den Läden für ein Theater machen. Neulich wollte ich nur schnell in den … und hatte keinen Einkaufswagen ich kann dir sagen…« »Ja, du hast recht, das ist inzwischen wie in einer Diktatur (sic!). Die machen sich keine Gedanken, was das mit den Menschen macht, auch mit den jungen Leuten. Diese ganze Isolierung schafft so viele seelische Krankheiten, gerade auch bei den Jungen. In Emmendingen (gemeint ist das Landeskrankenhaus für Psychiatrie) kommen sie mit dem Bauen gar nicht mehr hinterher!« 

Ebenfalls in der Bahn, ein paar Stunden später. Zwei junge Damen, so im besten jugendlichen Alter von vielleicht 13 Jahren, kommen in den Zug, beide mit Schutzmasken, die eine stöhnt: »O, ich kriege überhaupt keine Luft unter dieser blöden Maske.« Darauf die andere ganz pragmatisch: »Dann stirb halt«. Immerhin kein Wort davon, dass wir inzwischen eine Diktatur wären. 

Ich muss an eine Satz aus der Bergpredigt denken: 

»Ich sage euch aber, dass die Menschen Rechenschaft geben müssen am Tage des Gerichts von jedem nichtsnutzigen Wort, das sie reden (Matthäus 12,36).« Ob wir für das »nichtsnutzige« Schweigen auf Rechenschaft abgeben werden müssen?


Montag, 01.06.2020

Und staunt.. 

Aus Leserbriefen zu einem Artikel, wie die Kirchen mit den Coronaregeln umgehen: 


In den Kirchen dürfen sich die Menschen wieder tummeln.

***

Entweder Freiheit für alle oder für keinen.

***

Sie werden das Dilemma aus (absoluter) Sicherheit bei gleichzeitiger (absoluter) Freiheit niemals auflösen und es wird immer Menschen geben, die sich genau so lange für unbesiegbar halten, bis es sie erwischt.

***

Die Wirtschaft und das dafür notwendige öffentliche Leben haben wieder Priorität. Allerdings, auf Kirchgänge könnte man noch am ehesten verzichten.

***

"Für wieder andere ist der Besuch eines Gottesdienstes wichtiger als vieles andere im Leben. Das zu werten steht uns nicht zu…

***

Für wieder andere ist der Besuch eines Bundesliga Fußballspiels wichtiger als vieles andere im Leben. Das zu werten steht uns auch nicht zu?

***

Schon die Herrscher der Antike wussten: Religion ist das Instrument der Wahl, um die einfache Bevölkerung zu beherrschen. Sumerer, Ägypter, Griechen, Israeliten, Römer - sie alle haben sich eine komplexe Staatsreligion gezimmert, die das Zusammenleben der Menschen regulierte…

Am Ende ging es, und geht es noch heute, aber nur um eines: weltliche Macht. Die aber bröselt seit spätestens der Aufklärung den Kirchenfürsten durch die Finger.

***

Anbetung bestimmter Ideologien ist nicht nur den großen Religionen bekannt.

***

Aber besonders alleine in der Natur blitzt dann doch manchmal ein starkes Gefühl auf, das ich nicht beschreiben kann.

* * * * *

Eine Momentaufnahme des real existierenden Bundesbürgers (so weit erkennbar, waren unter den Zitierten keine Schreiberinnen), wie er sich in Leserbriefen manifestiert. Ich bin dankbar, dass das Leben anderer nicht für verzichtbar erklärt wird. So viel Gemeinsamkeit dann doch noch.

Immerhin weiss ich jetzt, was ein »Stadiongang« und ein »Kirchgang« mit einander zu tun haben könnten. Ich weiss jetzt, dass ich teil eines Systems bin, das ausschliesslich dem Machterhalt dient. Ich weiss, dass es ungefährlicher (und unverzichtbarer?) ist, einen Baumarkt zu besuchen, auch wenn dort - seitlich - kaum Abstände eingehalten werden. Ich weiss jetzt, dass es ?-Erfahrungen in der Natur gibt. Schon länger weiss ich, sehe es aber hier bestätigt, dass Kirche vielen als verzichtbar gilt. Weggelassen habe ich ein Zitatschnipsel, in dem dem »Gesichtsbuch« unterstellt wird, es seie eine zuverlässige Informationsquelle. Ich weiss, dass in dieser Einrichtung vieles sehr zuverlässig transportiert wird, doch dass jetzt die Wahrheit auch dazugehört? Nun, man lernt nie aus. 

Wie war das noch mal? Die Kirchgänger werden als ...* zu den ...** gesandt.

*= ein als nur mässig intelligent verschrieenes Herdentier 

 **= Ein in Baden-Württemberg wieder einwanderndes Tier, gegen das sich auch in den Regionen Bürgerinitiativen gründen, wo es noch nie gesichtet wurde. 



Mittwoch, den 27.05.2020

Nicht der Furcht

Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut

In der wir untergegangen sind

Gedenkt…

schrieb einst Bertold Brecht in seinem Gedicht »An die Nachgeborenen«. Was das mit uns zu tun hat? Nein, die Umstände und Zeitläufe sicher nicht, denn es wäre so dumm wie vermessen, die Schrecken des dritten Reiches mit diesen Wochen und Monaten zu vergleichen. Der einzige Schnittpunkt ist das »Auftauchen«, der Weg, auf dem wir gerade sind. Im Unterschied zu damals geht es uns immer noch so gut, dass wir uns dabei allerlei Unfug wie Verschwörungstheorien leisen wollen und können. Die freilich erinnern wieder an eine besonders perfide Verschwörungstheorie, die in unglaublicher Weise benutzt wurde, den Verbrechen von damals so etwas wie den Anschein einer Legitimation zu geben. 

So ist es nicht nur gut, sondern überlebenswichtig, wachsam zu bleiben, damit nicht irgend wann viele den modernen Rattenfängern nachlaufen werden, und sei es aus »Besorgnis« oder dem dumpfen Gefühl heraus, irgend ein »Zeichen« setzen zu wollen. Dann wären wir nicht mehr weit von der Person, die im Falle des Scheiterns alle mit in den Abgrund reissen wollte - und das auch tat - und die sich ständig von einer »Vorsehung« berufen fühlte. 

Ein österreichischer Schriftsteller meinte, auch die »Not« sei keine moralische Besserungsanstalt. Wahrscheinlich hat er recht. Und wir? Nun, am besten tun wir das, was immer wieder geraten wird, also bei unseren Leisten zu bleiben. Wir rufen uns darum  diesen Gedanken eines Paulusschülers in Erinnerung: 

Gott hat uns nicht gegeben

den Geist der Furcht, 

sondern der

Kraft

und der

Liebe

und der

Besonnenheit. 


Also nachzulesen im 2. Brief an Timotheus, 1, 7




Freitag, den 22.05.2020

Mein Licht und mein Heil 

Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten?

Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und antworte mir.
 

Städte und öffentliche Plätze füllen sich wieder, das schöne Wetter tut das Seine dazu, endlich wieder Kinderstimmen auf den Spielplätzen. Freilich auch »endlich« wieder leere Flaschen, leere Pizzaschachteln und eine nur halb aufgegessene Pizza auf der öffentlichen Sitzgelegenheit im Park, die Welt scheint wieder »normal« zu werden, die Überflussgesellschaft beginnt wieder Spuren zu hinterlassen, das scheint »die Krise« nicht geändert zu haben. Jeder nimmt noch gerne mit, was geht, ein börsennotierter Fussballverein überlegt, ob und wie er an Staatshilfen kommen könnte, denn genau für solche Zielgruppen scheinen die Staatshilfen auch bestimmt zu sein. Ebenso soll es Hilfen geben für Autos, die sogar 140g CO2 pro Kilometer ausstossen dürfen. Weil in diesem Fall noch immer die staatlich genehmigte Schönrechnerei gilt, sind das die Autos, die mindestens 180 PS haben und »ohne alles« knapp € 50.000,- kosten. Wie war das vor Jahren noch mit den politischen Slogans: »Weiter so, Deutschland!«? 

Das sind nun eher harmlose Beispiele für das, was sich vermutlich nicht geändert hat. Und nun? Natürlich kann ich schimpfen, auf die Politiker, die dem Druck der Lobbyisten erliegen. Oder dem Druck aus ihrem Wahlkreis usw. Und wenn es etwas laut zu sagen gibt, zu dem, was da schon wieder oder immer noch falsch läuft, dann sollte das jeder tun, der sich das zutraut - und der ein Minimum von Sachverstand hat. 

Für mich selber versuche ich mich dafür an Worten des »Wochenpsalms« (Psalm 27) festzuhalten. Denn ich will nicht zu denen gehören, die bei den längst braun unterwanderten Protesten gegen die Corona-Massnahmen mitlaufen. Wer noch Fragen hat, bedenke, dass Lutz Bachmann anscheinend einen Aufnahmeantrag an die ihm nahestehende Partei gestellt hat. 

Nein, die Bibel ist kein Buch mit Patentrezepten für alle Lebenslagen. Sie erwartet von uns Vernunft und sogar den Gebrauch derselben. Aber wenn wir das versuchen, finden wir Worte, die uns vor dem Schlimmsten bewahren und die uns helfen, eine klare Position zu beziehen, für das, was nun dran sein könnte.


Dienstag, den 19.05.2020

Ausstellung von Grafiken Bruno Schleys

Bitte schauen Sie auch auf dem Menüpunkt »Kunst und Kirche!« nach, dort erfahren Sie etwas zum Freiburger Grafiker Bruno Schley und seinen Christus-Grafiken. 


Donnerstag, 14.05.2020

Rundum sorglos 

Um die Impfpflicht soll es als gehen in der Politik. Wenn es denn einen Impfstoff schön gäbe, aber wer weiss, vielleicht gelingt es ja bald. Für das Unternehmen wäre es schön, wie eine Lizenz zum Gelddrucken vermutlich. Für die, die Verantwortung tragen, wäre es wohl auch schön, denn dann könnte man endlich wieder richtig etwas tun. Das ist im Augenblick nicht möglich, denn das Einzige, was gerade getan werden kann, scheinen die »Lockerungen« zu sein, mit denen manche Politiker einen Überbietungswettbewerb zu betreiben scheinen. Da käme ein Impfstoff gerade recht. 

Wenn es nur nicht so wird, wie bei der Grippeimpfung: Da haben die Kassen lange nur drei von vier Stämmen bezahlt, Pech, wenn man dabei die falschen erwischt hatte. Leider halten sich Grippeviren nicht immer an die Regeln, sondern verändern sich einfach. Das steht unserem Bedürfnis, alles handhabbar zu machen, entgegen. Denn das hätten wir heute nur zu gerne: Dass alles machbar ist, wenn man sich nur genug Mühe gibt. 

Leider - oder soll ich sagen: »Zum Glück!«? Mir ist unser Machbarkeitswahn nicht geheuer. Möglichst viel wird zertifiziert und dokumentiert. Aber damit ist nicht alles in den Griff zu kriegen. Was aber auf diesem Weg sicher gelingt ist, jemanden zu finden, der dabei einen Fehler gemacht hat. Und das braucht unsere Gesellschaft dringend: Einen Schuldigen. Was das wohl über uns aussagt? 

Jesus hat einmal gesagt: »Wer sein Leben erhalten will, der wird’s verlieren« (Mt.17,25). Dabei dachte er ganz bestimmt nicht an »Corona«. Aber mir scheint, dass auf unserer Versessenheit, alles in den Griff zu kriegen, kein Segen liegt. Leben ist ein Geschenk. Wir machen es nicht selber, auch wenn wir Befruchtungen im Reagenzglas hinbekommen. 

Ein Geschenk kann man annehmen, sogar dankbar. Und etwas daraus machen. Das Störende daran scheint aber der Gedanke zu sein: »Ich war das nicht.« Ich verdanke mich jemand anderem. 


Sonntag, 10.05.2020

Sonntag Kantate (Singt dem Herrn)

Kantate 2020_1.pdf (466.07KB)
Kantate 2020_1.pdf (466.07KB)

Samstag, 09.05.2020

Koronakirche... Bin mal gespannt, wie die bayrischen Biergärten und -keller dann aussehen werden. 

Das ist dann der »krönende« Abschluss diese Tagebuches. In Zukunft geht es wöchentlich weiter. Die Predigt wird später noch hier eingestellt. 




Freitag, den 08.05.2020

Nicht nichts, aber nicht viel mehr

Kein Wort heute über - na, Sie wissen schon - nicht mal verklausuliert, z.B. wie in den Harry Potter Romanen, wo es dann immer heisst: »Er, dessen Name nicht genannt werden darf…« Heute geht es um ein anderes Thema, um unser Wochenlied für die nächste Woche: »Du meine Seele singe, wohlauf und singe schön…«, Paul Gerhardt hat’s geschrieben (Evang. Gesangbuch 302). 

Ich weiss, dass dieses Lied bei den politische Korrekten und den Gerecht-Sprachlern schlechte Karten hat. Das lieg ganz besonders an der letzten Strofe: Ach ich bin viel zu wenig, zu rühmen deinen Ruhm, der Herr allein ist König, ich eine welke Blum… Das geht gar nicht, dass der Mensch hier so klein gemacht wird und so setzt man dem ein trotziges »Ach, ich bin nicht zu wenig, zu rühmen deinen Ruhm…« entgegen. 

Nach diesen Urteil der Sprachgerechten und -korrekten müsste wohl auch viel Lyrik verschwinden, aus den Büchern, aus den Köpfen. Erich Fried schreibt z.B. so: 

Vielleicht nicht nichts
ohne dich
aber nicht mehr viel… 

Dieses Gedicht würde ich aber so gerne behalten wie Paul Gerhardts Lied. Denn wenn ich mal wieder wenig oder gar nichts habe, dann tun diese Worte gut, weil ich dann ein Du habe, an dem ich mich aufrichten kann, weil ich diese Worte auch singen kann und in denen Gott mit einfachen, aber klaren Worten gelobt wird. 

Es geht, sich diesem Gott anzuvertrauen, der für uns sorgt, der treu ist und mich nicht im Stich lässt, der sich auch und vor allem um Benachteiligte einsetzt, den die brauchen ihn ja viel mehr, als ich. - Nebenbei: Wenn er das tut, könnte ich doch auch mal wieder… 

Und noch was Unkorrektes: die aber, die ihn hassen, bezahlet er mit Grimm…« Geht wohl auch nicht, aber ich denke mir: Er muss es ja nicht tun, jedenfalls nicht so, wie wir Menschen uns so etwas vorstellen. Mir reicht es, wenn ich meinen Zorn bei ihm abladen kann, er hält es aus, puffert ihn ab, damit andere möglichst wenig davon abkriegen und ich kann dann wieder herunterkommen - um ihn zu loben, statt zu toben: … und die da sind gefangen, die reisst er aus der Qual… sogar die, die in sich selbst gefangen sind. 

Und darum: Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd; ich will ihn herzlich loben, so lang ich leben werd. Wenn das mal keine Lebensaufgabe ist, und eine erfüllende dazu.


Donnerstag, 07.05.2020

Man kann sich schliesslich nicht um alles kümmern, …

… aber manche Witze muss man einfach selber machen. Kennen Sie noch den alten Sponti-Spruch: »Stell dir vor, s’ ist Krieg und keiner geht hin!«? In diese Tradition reihen wir uns ein: »Stell dir vor, s’ ist Sonntag Kantate (= Singt dem Herrn!) und alles schweigt! 

Gut, normal würden Sie zurecht sagen, ich solle diese Flachwitze bleiben lassen, aber der ist ernst. Genau so wird es sein. Dabei haben wir so einen treffenden Predigttext. 

Die Lage ist die: Gleich soll der neue (und erste) Tempel in Israel eingeweiht werden. Alle »Geistlichen« (damals: Priester) haben sich vorbereitet und sind in Stellung gegangen und dann kommt’s: 

(Die Sänger)… standen östlich vom Altar mit Zimbeln, Psaltern und Harfen und bei ihnen 120 Priester, die mit Trompeten bliesen. Und es war, als wäre es einer, der trompetete und sänge, als hörte man eine Stimme loben und danken dem Herrn (2. Chronik 5,12f). 

Na ja, ein Bisschen davon werden wir wenigstens hinkriegen, denn wenn’s gut geht, singt tatsächlich eine, unserer Kirchenmusikerin! Ansonsten gilt für uns Tersteegen!: Gott ist in der Mitte. Alles in uns schweige (Evang. Gesangbuch 165,1). 

Wie könnten wir uns daraus retten? Gemach, die Bibel ist ein Buch, dem nichts menschliches fremd ist. Also spricht Paulus: 

Desgleichen hilft auch der Geist unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt, sondern der Geist selbst tritt für uns ein mit unaussprechlichem Seufzen (Römerbrief 8,26). 

Puh, da sind wir gerade noch einmal davon gekommen. Es geht also auch mit schweigendem Denken. 

Wenn ihnen das zu still ist, dann hätte ich noch diesen Tipp: Ab dem 18. Mai dürfen zunächst nur Bierkeller, Biergärten und die Außenbereiche von Lokalen geöffnet werden. Dort sei die Ansteckungsgefahr laut Söder am geringsten. Glauben Sie ja nicht, dass die dort in ihre Mass schweigen werden.

Hab ich’s doch geahnt, dass die Biergärten und Bierkeller unserer krachledernen Nachbarn schon aus sich heraus desinfizierend wirken. Wir, mit unseren scheinbar hochinfektiösen Gottesdiensten haben halt Pech gehabt. Schade, dass wir keine Unterkirche haben, wie bei der Frauenkirche in Dresden. Die müsste doch mindestens so gut sein wie ein Bierkeller. Wirklich schade. 

Nun denn, auch wenn wir am Sonntag Kantate schweigen anstatt zu singen, dann gilt trotzdem noch einmal Paulus: 

Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel, noch Mächte noch Gewalten (und ich denke: Weder Konzepte noch Vorschriften, noch unser Stummsein) … uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist, unserm Herrn (Brief an die Römer, 8,38f). Wo er Recht hat, hat er einfach Recht. Kantate kann kommen.


Mittwoch, 06.05.2020

Eilends!

Ich war nicht dabei. Ich wollte, aber ich durfte nicht. Warum habe ich das mit mir machen lassen? 

So oder so ähnlich kommen Fragen von Menschen, die ihre Angehörigen nicht beim Sterben begleiten durften. Sicher, es gibt Menschen, die wollen gerne allein sein beim Sterben, manchmal zum Entsetzen der Angehörigen. Andere wären froh, es hielte ihnen jemand auf diesem letzten Weg die Hand. Oder sänge ein Lied für sie. Oder würde einen Psalm aus der Bibel lesen oder ein Gebet sprechen. 

Nun aber hat man sich bei uns entschieden, die Gesundheit der Schwächsten zu schützen und nimmt der Einsamkeit, z.T. auch den sehr einsamen Tod der zu Schützenden auf sich. Das ist eine üble Situation. 

Es gibt Situationen im Leben, da ist jede Entscheidung falsch. Dann müssen wir, wie es gerne heisst, das kleiner Übel wählen. Nur, welches ist das? Und was machen wir, wenn wir es nicht entscheiden können? 

Ich leihe mir Worte aus Psalm 31 aus: 

Herr, ich traue auf dich, lass mich nimmermehr zuschanden werden, errette mich durch deine Gerechtigkeit und hilf mir heraus, neige deine Ohren zu mir und hilf mir eilends. 

Eilends. Eilends! Dringender geht es kaum. Und wird oft doch länger gehen. Und ich muss es aushalten. Aber wenigstens habe ich einen Ansprechpartner. Dem kann ich meine Ratlosigkeit, meine Verzweiflung und meinen Unmut sagen und, meine meine Verzweiflung: 

Mein Auge ist trübe geworden vor Gram, matt meine Seele im Leib. Denn mein Leben ist hingeschwunden im Kummer und meine Jahre im seufzen. 

Eilends - das war wohl schon damals öfter nichts damit. Ja, so ist es wohl im Leben, solche Zeiten gilt es auszuhalten. Sie machen mich menschlicher. Und nein, ich strebe so etwas nicht an, so wenig wie Sie. Aber ich überlege, wie Klage und Hilfe, die Eile und die Geduld zusammengehören. Eine schwierige Aufgabe, ohne einfache Lösung. Da bleibt mir nur noch einmal der Psalm 31:

Meine Zeit steht in deinen Händen. 

Ich denke an die Angehörigen und überlege: Zorn und Wut gehen, Trauer und Verzweiflung auch. Rechthaberei der Besserwissenden: Das geht nicht. Die hilft uns nicht weiter. Gemeinsam tragen und aushalten, das schon.


Dienstag, 05.05.2020

Zerbrechlich (Gordon Sumner) 

Mit Vernunft hat das nichts zu tun, sich nicht über den Regen zu freuen, der auch heute wieder - endlich - fällt. Trotzdem stellen sich ganz andere Gedanken ein, als noch in den vergangenen sonnigen, viel zu trockenen Tagen. 

Regengedanken

Der Regen wird weiter fallen, immer weiter wird es regnen, wie Tränen eines Sterns, immer wieder wird der Regen sagen, wie zerbrechlich wir sind. 

Ein paar Tage noch - vermutlich - wird uns die Zerbrechlichkeit prägen, bis die Koalition der Autohersteller an der Spitze einer ganzen Gruppe von Unternehmen, die staatliche Subventionen (ja, Steuergelder…) und gleichzeitig Boni und Dividenden zahlen wollen, sie weggewischt, übertönt, zugedeckt haben wird, damit alles wieder so werde wie ehedem, damit keiner mehr darüber nachdenke, ob es so weiter gehen könne. 

Nein ich denke nicht an eine kleine Rücknahme der Globalisierung, sodass wir im Ernstfall wenigstens Masken und Schutzanzüge hätten und auch das eine oder andere noch funktionstüchtige Antibiotikum. 

Gegen die Überhitzung unseres Planeten helfen keine Gesichtsmasken. Wir können es uns auch nicht leisten, darauf zu hoffen, dass doch alles mit der Sonnenaktivität zusammenhänge. Wenn sich das als trügende Hoffnung herausstellen wird, dann wird kein Desinfektionsmittel und Abstandsgebote mehr.

Jetzt hätten wir - unserer Zerbrechlichkeit wieder bewusst - eine Möglichkeit, umzudenken. Aber:

Der Regen morgen wird alle Flecken wegwaschen… vermutlich auch den Versuch, ein wenig umzudenken. Wenn man doch nur nicht auch zu uns sagen wird: 

»Jerusalem, Jerusalem!

Du tötest die Propheten

und steinigst die Boten,

die Gott zu dir sendet!

Wie oft wollte ich deine Kinder um mich versammeln –

wie eine Henne ihre Küken

unter ihren Flügeln beschützt!

Aber ihr habt nicht gewollt« (Matthäus 23,37, Basisbibel).


Montag, 04.05.2020

Nehmen wir’s mit Humor

Die letzten Wochen galten auch für Christen, die in die Kirche wollten, strenge Auflagen. Manche sagten sogar, es hätten immer nur zwei zugleich hineingehen dürfen. Nun, in der Zeller Realität kamen wir dem immer ziemlich nahe. 

Jetzt hat man uns mit sehr deutlichen Auflagen das Feiern von Gottesdiensten (ab dem 10. Mai) wieder erlaubt. Viele davon sind nachvollziehbar, bei manchen tue ich mich schwerer, wenn an anderen Orten das viel laxer gesehen wird. Aber man soll ja nicht undankbar sein, nicht wahr?: 

Die Tante und ihr Neffe sind am Strand. Der Junge geht ins Wasser zum Spielen. Weil der Wind plötzlich ganz kräftig auffrischt, gibt es schnell hohe Wellen. Der Junge kämpft mit den Wellen, geht unter, kommt wieder hoch. Die Tante betet verzweifelt: »Bitte, bitte, o Herr, rette meinen Neffen. Ich will auch alles tun, was du von mir verlangst!« Die nächste Welle spült das Kind an den Strand. Einen Augenblick lang ist die Tante froh, das Kind wieder bei sich und in Sicherheit zu haben, da blickt sie dann doch verärgert nach oben und beschwert sich: »Und wo ist seine Mütze?«

Jetzt ist es an uns und von uns an denen, die sich das gesundheitlich erlauben dürfen, die Kirche - im Rahmen des Erlaubten - wieder mit Leben zu erfüllen. Wir hoffen, dass dies gelingt. Vermutlich gelingt das am besten, wenn es für uns ein Anliegen ist, sonst könnte es sich auch anders wenden: 

Eine Dame betritt die Buchhandlung und sagt, sie suche etwas für einen Kranken. »Etwas Religiöses?«, fragt der Buchhändler. »Ach nein«, sagt die Dame, »es geht ihm schon wieder besser.«

Sonntag, 03.05.2020

Predigt für den Sonntag Jubilate

Jubilate 2020.pdf (450.77KB)
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Samstag, 02.05.2020

Gott loben - Psalm 66

In der sog. Apostelgeschichte des Neuen Testaments wird uns eine merkwürdige Begebenheit erzählt: Paulus uns sein Reisegefährte Silas waren durch juristische Willkür ins Gefängnis gesperrt worden, ohne Haftbefehl. Dort sitzen sie, und dann heisst es: Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott (Apostelgeschichte 16,24).

Nun sitzen wir nicht im Gefängnis, sondern nur in der Isolation. Gesunde merken das weniger als die, die, von denen gesagt wird, sie müssten stärker geschützt werden. Wir merken auch, dass niemand auf so etwas vorbereitet war. Das ist auch nicht möglich. Wenn die Entscheider ihre mögliche Fehlbarkeit nicht vergessen, dann können die anderen mit vielem leben. 

Und was machen wir, mit uns? Wenn wir Paulus und Silas als Beispiel nehmen, die völlig unvorbereitet und unvorhersehbar ins Gefängnis kamen, dann wäre eine Möglichkeit, Gott zu loben. 

Ich weiss, bei diesem Vorschlag werden manche im besten Fall einen Hustenanfall bekommen und nachsehen wollen, wieviele Tassen mir im Schrank fehlen. 

Im Wochenpsalm (66) lese ich: Er hat das Meer in trockenes Land verwandelt. Zu Fuss ziehen sie sicher durch den Wasserstrom. Dort, am Ufer wollen wir uns freuen über ihn, der für immer herrscht in seiner Macht. 

Ich glaube nicht, dass es hier um Beschwichtigung und Ruhigstellung geht. Sondern darum, wie wir unser Leben (wieder) gewinnen. In diesem Gebet, manche haben es bemerkt, wird an die Rettung am Schilfmeer erinnert (Exodus = 2. Mose 14). Das ist nicht »unser Datum«, aber wir haben hoffentlich andere Erfahrungen, die wir als Rettung deuten können. Und dann wäre es möglich, für den lobende Worte zu finden, der uns geholfen hat. Wenn die aus freien Stücken aus uns herauskommen, dann tragen solche Worte. Dadurch werden wir frei und gewinnen die Deutung unseres Lebens (zurück). Probieren sie es aus. Es ist ein Widerspruch, aber trotzdem: Wer sich an Gott bindet, ist frei.


Freitag, 01.05.2020

Tag der Arbeit 

Sogar auf diesen Tag hat sich etwas wie ein dämpfender Nebel gelegt. Die ruhigste »Walpurgisnacht« seit Jahrzehnten. Vielleicht erinnern sie sich: Gab es früher intelligente Streiche (man hat einem alten Feierabendbauern, der immer ohne zu schauen seinen Schubkarren mit Mist über die Strasse schob, einen Zebrastreifen auf dieselbe gemalt), so ist »man« längst zu unintelligenten Zerstörungen übergegangen. Und diese Nacht? So gut wie nichts, wie es scheint. Am Tag dann keine sogenannten Ausmärsche, keine leiterwagenziehenden Gruppen mit Bier in Kästen und Fässern, keine Maikundgebungen. Verkehrte Welt. In diesem Fall ist es nicht so schlimm. Das wird im nächsten Jahr nachgeholt. Dass von vielen anderen - wirklichen - Katastrofen kaum jemand spricht, ist tatsächlich schlimm: Sogar über das Elend der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln spricht niemand, fast niemand. Wieso eigentlich? Woher diese Stille? Als ob es manchen gerade recht ist, sich in dieses Schweigen fliehen zu können. 

Laut sind aber die, die Konjunkturprogramme und Abwrackprämien fordern. Das sind, wohlgemerkt, nicht die, denen es wirklich elend geht. Gerne verlangen das die, die solche Staatsleistungen wollen, aber den Aktionären trotzdem Dividenden und den Vorständen trotzdem Boni zahlen wollen. Eine seltsame Vorstellung am Tag der Arbeit. Der Rest von Anstand muss irgendwo verloren gegangen sein, wenn Sie ihn finden, sagen Sie es bitte. 

Irgendwo in meinem Kopf ist da noch die Erinnerung an einen, der auch über seine Arbeit spricht: Mir hast du Arbeit gemacht mit deinen Sünden und hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten. Ich, ich tilge deine Übertretungen um meinetwillen und gedenke deiner Sünden nicht (Jesaja 43,24b+25). 

Ich finde das an diesem seltsam stillen Tag beruhigend, dass einer für uns arbeitet, ganz ohne Boni und Dividende. 



Donnerstag, den 30.04.2020

…wird’s was geben? Hat’s was gegeben!

Ich meine die Auflagen für unsere Gottesdienste. Vor einigen Tagen dachte ich noch, ich müsste unsere Kirche gegenüber den Anwürfen des Intelligenzblattes (für) Deutliche Evangelikal Aussprache in Schutz nehmen, von wegen der Vorwürfe, sie manövriere sich selbst in’s Abseits. Jetzt muss ich mir überlegen, ob ich da nicht vorschnell war. Ich meine damit nicht den dort nachzulesenden Leserbriefkurzschluss, dass, wer Jesus vertraue, vor dem Virus keine Angst zu haben brauche. Das würde ich gar nicht bestreiten, frei nach Mk.16,18. Aber hat so ein Leserbriefschreiber nie gelesen, was in Deut. 6,16 steht: »Du sollst den Herrn, deinen Gott nicht versuchen«, was von Jesus in Mt.4 zustimmend zitiert wird?

Aber nun müssen wir im Gottesdienst nicht nur 1,5m Abstand halten, sondern 2m. Gerade komme ich aus dem Lebensmittelladen mit vielen Menschen, zugestellten Gängen, eiligen Menschen, selbst mit viel Einsatz sind dort kaum 20cm Abstand zu halten. Ausser natürlich vor mir… Und dann haben sie dort wieder die Kassen direkt nebeneinander offen. Wenn ich Glück habe, schaffe ich da 40 cm Abstand. Nur: Wen interessiert’s? Richtig: Niemand. 

Dass wir aber im Gottesdienst auch mit Mundschutz nicht singen oder laut beten dürfen, das ist ein starkes Stück. Dass man verlangt, das am Kircheneingang kontrollierende »Personal« sei zu schulen, ohne zu sagen in was und wo, ebenso. Wir leben doch in Deutschland, 2020, da gibt es sicher auch dafür irgend eine Zertifizierung, oder nicht, diesmal? 

Es geht mir nicht darum, dagegen aufzubegehren. Ich nehme es auch hin, dass im Zweifel gerne Totschlagsargumente (»Wieviele Tote sind sie bereit zu riskieren?«) statt echter Argumente benutzt werden. Aber mit der Zeit sollte es doch ehrlich zugehen und eine »einigermassen« Gleichbehandlung sollte auch stattfinden. Und dass Online-Gottesdienste in Pflegeheimen vielleicht doch nicht der letzte Schrei sind, sollte man inzwischen auch wissen und ihn daher nicht als (All)heilmittel anpreisen. 

Doch wie resümiert Matthäus (4) zu Beginn des Wirkens Jesu: Das Volk, das in Finsternis sass, hat ein grosses Licht gesehen; und denen, die sassen im Land und Schatten des Todes, ist ein Licht aufgegangen. Daran will ich mich halten. Und vielleicht ereignet sich das auch mal für die, die so etwas vermutlich ausgehandelt haben. Es gilt ja noch Johannes 3,8.


Mittwoch, 29.04.2020

Verschiedene Gaben

Ein Benediktiner, ein Dominikaner, ein Franziskaner und ein Jesuit sitzen in einem Vortragsraum und warten auf den Redner. Plötzlich geht das Licht aus. Der Benediktiner betet gelassen seine Psalmen weiter, denn er kennt sie sowieso auswendig. Der Dominikaner beginnt eine stille Betrachtung über das unterschiedliche Wesen von Licht und Finsternis. Der Franziskaner lobt Gott, der dem Menschen auch die gnädig verhüllende Dunkelheit gewährt.  Plötzlich wird es wieder hell. Was war passiert? Der Jesuit hatte unterdessen den Stromkasten gesucht und die Sicherung wieder angeschaltet.

Tatsächlich geht es um freundlich überzeichnete Klischees, was denn für die verschiedenen Orden typisch sei. Andererseits können wir leicht überlegen, welche dieser Personen uns am ehesten entspricht, wenn es um unseren Glauben geht:
Der glaubensfeste Benediktiner, der filosofische Dominikaner, der fromme Franziskaner und der realistische und praktische Jesuit. 

Wir werden alle brauchen, wenn aus dem Corona-Stillstand der Gesellschaft und der Kirche wieder Leben entstehen soll. Wir werden alle unsere Gaben brauchen, in der Wirtschaft, in der Bildung und eben auch in unseren Gemeinden. 

Wenn Sie sich selber erkannt haben, dann nehmen Sie am besten Ihre Rolle an und machen etwas daraus. Was Sie in Gottes Namen anfangen, da legt er auch seinen Segen darauf. 




Dienstag, 28.04.2020

Morgen, Kinder!

Morgen, Kinder, wird’s was geben,
morgen werden wir uns freun!
Welche Wonne, welches Leben
wird in unserm Hause seyn;
einmal werden wir noch wach,
Heysa, dann ist … 

Nein, nicht, das kann doch nicht ernst gemeint sein! Oder ist das eine neue Form des Ausgangsbegrenzungskollers? Denn das Fest haben wir doch erst wieder in knapp acht Monaten vor uns. Andererseits warten einige andere schon darauf, dass wir wieder Gottesdienst feiern dürfen. 

Aber gemach, wir sind ja in Baden-Württemberg und da geschieht das nicht in Eile. Nun wird vielleicht doch erst der 10. Mai der Tag, an dem wir normalerweise gerne Konfirmation gefeiert hätten. Wenn es dann aber so weit sein sollte und es sich in dieser Woche noch klärt: 

Sonntag, Kinder, wird’s was geben,
Sonntag werden wir uns freun.
Welche Wonne, welches Leben
wird in unsrer Kirche seyn.
12 mal werden wir noch wach,
bis er kommt, der grosse Tag.

Wie wird dann die Kirche glänzen
von der grossen Lichterzahl.
Schöner als bey frohen Tänzen
ein geputzter Kronensaal.
Wisst ihr noch, wie letzt im März,
Gottesdienst war, ohne Scherz? 

Auf dem Altar brannten Kerzen,
auch das Kreuz war hell erleucht’,
und es gab viel frohe Herzen,
wovon manch Gesicht gezeugt!
Das scheint alles lang vorbei,
uns blieb nur die Warterei.

Das wird dann ein schöner Morgen,
neue Freude hoffen wir.
Die Regierung wird schon sorgen
in die Kirch’ dann dürfen wir.
O gewiss, wer ihn nicht ehrt,
ist des Gottesdienst nicht wert.

Nun, ihr Schwestern und ihr Brüder,
lasst uns ihnen dankbar sein.
Und der guten Landregierung
Achtung und Verehrung weihn.
Und auf’s redlichste bemühn,
alles, was sie kränk zu fliehn.

Also, ein paar Tage dauert er noch, der kirchliche Dornröschenschlaf. Woll’n wir hoffen, dass dann auch ein Prinz kommt und die Gemeinde wieder wachküsst. Irgendwie so war das doch, oder?


Montag, 27.04.2020

Relativ

Wir halten den gebotenen Abstand ein, vielleicht sogar bald in den Kirchen. Ab heute sogar mit Mundschutz. Aber mit der Konsequenz ist es so eine Sache. Denn die Abstandsregel gilt nur vor mir und hinter mir. Wer das nicht glaubt, geht einfach einkaufen. Da wird er einigermassen genau befolgt. Die vielen aufgeklebten Markierungen helfen dabei notfalls auch der eindeutige Hinweis der Verkäuferin. Etwas anderes ist es mit dem Abstand zur Seite. Den nehmen viele nicht so genau. Wenn ich nicht aufpasse, drücken sie sich an mir vorbei, Abstand 5 Zentimeter. Oder sie beugen sich über meinen Arm, mit dem ich gerade etwas aus dem Regal nehmen will. Anscheinend war ich so unverschämt, genau an der Stelle zu stehen, wo jemand anderer hinwollte. Wie kann ich nur? Dass er/sie mich gebeten hätte, zur Seite zu gehen, weil man es schliesslich eilig hätte, ich aber bestimmt alle Zeit der Welt, das wäre schon wieder zuviel der Verzögerung gewesen. Da wird mir klar: Viren werden nur nach vorne oder hinten übertragen, aber nie zur Seite oder diagonal, auch nicht nach oben oder unten, dies scheint ein mir unbekanntes Naturgesetzt aus der Biologie der Viren zu sein. Ausserdem übertragen sie sich nie in vollen Aufzügen, wie uns der Gesundheitsminister in einem mutigen Selbstversuch demonstrierte, als er sich rasch noch in einen vollen Aufzug drängte.

So ist wohl das Leben, unklar, uneindeutig, mal halte ich mich an Regeln, mal interpretiere ich sie grosszügig zu meinen Gunsten, wenn’s schnell gehen muss usw. Und das passiert vermutlich jedem von uns (gut, es mag die eine oder andere Ausnahme geben, denen so etwas nie passiert, Sie zum Beispiel). Was aber tun, wenn alles so unvollkommen und inkonsequent zu sein scheint, einschliesslich meiner Person? 

Mir geht ein Satz aus dem Evangelium nach Matthäus durch den Kopf: »Und als er das Volk sah, jammerte es ihn; denn sie waren geängstet und zerstreut wie die Schafe« (9,36). Das ist die »Zielgruppe«, die sich Jesus ausgesucht hat. Das erleichtert mich, denn ich merke: Bei dem bin ich an der richtigen Adresse. Meine Inkonsequenzen und Unsicherheiten stören ihn nicht. Sie sind ihm - nicht nur relativ - egal.


Sonntag, 26.04.2020

 



Samstag, 25.04.2020

Aus der Sicht des Herdentiers

Der kommenden Sonntag hat den schönen Namen misericordias domini, Barmherzigkeit des Herrn. Und nirgendwo wird diese Barmherzigkeit schöner in Worte gefasst, als im Psalm 23, der zu diesem Sonntag gehört. 

Einer, der die Psalmen erklärt hat (Prof. Klaus Seybold), schreibt, gerade die ersten Verse seien aus der Sicht des Herdentieres geschrieben, wodurch »alle Aufmerksamkeit auf den Hirten gelenkt« werde, also auch auf das, was der »Hirte« für seine »Herde« tut. Er sorgt für Wasserplätze und Weiden. Das sind die Orte, an denen »sich die Seele erholen« und die »Lebenskräfte zurückkehren« können. 

So sehr wir gerne Individualisten sind, so sehr sind wir immer wieder Herdentiere, die nach- machen, nach- reden. Das Gefährliche daran ist, dass so eine Herde schnell eine Eigendynamik bekommen kann, wo nach der Richtigkeit dessen, was geschieht, nicht mehr gefragt wird. Wie anders kommt es dazu, dass ohne das Gehirn zu benutzen Pflegekräfte in Pflegeheimen oder in Intensivstationen von der »Herde«, der Mitbevölkerung, ausgegrenzt werden? 

Spätestens dann, wenn es noch gelingt, wäre es gut, tatsächlich von der Herde weg wieder hin zum Hirten zu schauen, sonst werden wir tatsächlich zu einer dumm alles niederblökenden Herde. Bei George Orwell haben sie mit dem Ruf »Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht« alle Gedanken unterbunden. 

Das Geblök in diesen Tagen brauche ich Ihnen nicht zu nennen, wir lesen und hören es tagtäglich. Wer kann, macht nicht mit, sondern hält erst einmal den Mund und wer doch etwas sagen will, der könnte sich an diesen Psalm 23 erinnern: »Auch wenn ich gehe im finsteren Tal, fürchte ich nichts Böses. Denn du bist bei mir. Dein Stock und dein Stab geben mir Trost« (Übersetzung von Klaus Seybold, HAT 1/15 S.100). So etwas lässt sich nicht blöken, diese Worte verdummen nicht, sondern lassen innehalten, nachdenken und dankbar sein. »Individualisten« und »Herdentiere«.

Freitag, 24.04.2020

Bekenntnis einer Konfirmandin

Ich glaube an Gott, den Vater, denn er hat die Welt erschaffen und uns das Leben gegeben. Gott Gibt uns die Kraft und schenkt uns Liebe und lässt uns auch im Tod nicht alleine. 

Und ich glaube an Jesus Christus, den Sohn Gottes, der für alle Menschen da ist, egal ob reich oder arm, glücklich oder traurig, jung oder alt. Ich weiss, ich kann auf ihn vertrauen, denn auch wenn ich Fehler mache, lässt er uns nicht alleine. Amen. (J)

Donnerstag, 23.04.2020

Der Fluss reisst mich nicht fort

»Der schöne Ostertag« (EG 117) ist eines der beiden Wochenlieder für diese Woche. Jürgen Henkys hat eine mindestens kongeniale Nachdichtung der beiden Vorlagen aus den Niederlanden und England geschaffen. Für die, die das Lied nicht kennen, möchte ich aus der dritten Strofe zitieren: 

Muss ich von hier nach dort - er hat den Weg erlitten. Der Fluss reisst mich nicht fort, seit Jesus ihn durchschritten…

Ob wir nun gerade in Langeweile gefangen sind oder in Aufgaben, wie den eigenen Kindern etwas von der Schule zu ersetzen (wenn Sie mal Lust haben, wie der juristische Amtsschimmel zu wiehern, dann sagen Sie: Ihre Kinder zu beschulen), oder ob Sie beruflich in der vordersten Reihe stehen und nicht wissen können, ob Sie sich als nächstes nicht auch das Virus einfangen: Hier sind Worte, die helfen können. Nein, sie löschen die Aufgaben und Probleme nicht einfach aus, das Leben ist keine Schultafel. Aber wir können uns in das, was Jürgen Henkys hier in Worte gekleidet hat, einfach fallen lassen: »Er hat den Weg erlitten« und »der Fluss reisst mich nicht fort«. 

Sie und ich, wir wissen, was zur Zeit jeden Tag, fast stündlich, auf uns einprasselt: Zu früh! Zu spät! Das hätte längst geschehen sollen! Das gehört schon lange wieder zurückgenommen! Die Politik macht den Fehler zweimal!

Ich muss gestehen, ich kann es nicht mehr hören. Sinnvolle Informationen schon, aber diese Besserwisserei im Nachhinein - da bräuchte ich schon mal das, was im Flugzeug in der Tasche am Vordersitz steckt, das wird zur Zeit kaum gebraucht, es wären schon welche frei). Wenn also das und noch mehr auf Sie einprasselt, dann lesen Sie diese Strofe, besser noch, das ganze Lied und am allerbesten, Sie singen es. Ich sag’s Ihnen, so viel Geborgenheit auf einmal gibt’s nicht oft. Wieso? Ach ja: »Doch nun ist er erstanden.«


Mittwoch, 22.04.2020

Durchblick 

Bitte versuchen Sie sich mal zu erinnern. Wie das war, vor einem Monat. Wussten Sie, was alles auf Sie zukommen würde, auf die Familie, das Dorf, die Vereine, die Stadt - und die Kirchengemeinde? Ja? Na dann, herzlichen Glückwunsch. Dann gehören Sie zu den wenigen, die vorher schon den grossen Durchblick hatten. Vielleicht sogar so etwas wie einen Fahrplan, wie man durch das »Corona-Chaos« hindurchfinden wird. Ich bin beeindruckt von solchen Menschen. 

In einer Nachrichtenagentur für Evangelikale gibt es auch so jemand. Sie schreibt dort über die Kirchen, die sich »freiwillig in die Bedeutungslosigkeit« manövrieren. Siehe da, die Kirchen wollten jetzt ein »Konzepte entwickeln um Gottesdienste zu feiern.« Das hätten sie aber schon »längst im März formulieren können.« Ich bin noch mehr beeindruckt. 

Ja, mir geht es auch gegen den Strich, dass wir keine Gottesdienste feiern können. Aber es ist etwas anderes, wie von ihr zustimmend referiert wird, dass Menschen in der Sowjetunion unter Todesdrohungen Gottesdienste feierten, oder ob man es in Kauf nimmt, eventuell zur fröhlichen Virenschleuder zu werden, die viele andere ansteckt. Hut ab, dass Menschen damals so zu ihrem Glauben standen. Sie taten es mit hohem persönlichen Risiko, aber nichts als potentielle Gefahr für andere. 

Alle, die wie hier vorher schon zu wissen schienen, wie es richtig und verantwortungsbewusst geht, wünsche ich mir in die entscheidenden Gremien, damit sie dort tatsächlich Verantwortung übernehmen können. Das sollte gehen, denn sie blicken ja durch. 

Ich selber aber muss wohl zurück auf Start und noch einmal bei dem anfangen, was in Revision des Neuen Testaments von 1956 (Lutherbibel) so schön formuliert war: »Weiter, lieber Brüder (doch, die Schwestern auch…): »Was wahrhaftig ist, was ehrbar, was gerecht, was rein, was lieblich, was wohllautend, ist etwa eine Tugend, ist etwa ein Lob, dem denket nach (Philipper 4,7).«


Dienstag, 21.04.2020

Noch einmal: Strafe?

»Es ist noch nicht vorbei«, sagen die einen. »Wir brauchen Lockerungen der Beschränkungen«, setzen diese doch z.T. Grundrechte ausser Kraft, reklamieren die anderen. Dritte mahnen, man solle nun nicht leichtsinnig werden und wir würden wohl noch Monate mit Einschränkungen leben müssen, zumindest aber, bis es einen Impfstoff gebe. 

Andere, etwa der »twitternde Präsident« will das alles nicht wahrhaben, will keinerlei Verantwortung übernehmen, wenn es denn nicht zu vermeiden ist, wälzt er sie auf andere ab und plant, eine grosses Experiment mit seiner Bevölkerung zu mache, etwa dergestalt, dass man die Einschränkungen aufheben solle, und zusehen, was dabei herauskäme. Könnte klappen - oder fürchterlich schiefgehen. 

An wem sollen wir uns nun abarbeiten, mit unserer Ungeduld und Unzufriedenheit, dass wir nicht mal unseren Sommerurlaub planen sollen und wenn doch, dann nicht jenseits der Landesgrenzen?

Das dürfte vielleicht noch gespenstisch werden, wenn es wirklich eine zweite Welle geben sollte, die noch schlimmer sein könnte. 

Was würde dann die Öffentlichkeit sagen, wenn plötzlich jemand laut sagte: Das ist die Warnung Gottes?  

Martin Sallmann schreibt im Buch »Um Himmels Willen: Religion in Katastrophenzeiten«: 

»Aus den traurigen Zeiten der Gegenwart lässt sich erschliessen, was von der der Bevölkerung gefordert ist. Denn die traurigen Zeiten … seien nichts anderes als die Stimme Gottes, die zur Besserung« rufe. … »Wenn das ›liebe Creutz‹ bei uns anklopfe, dann würden wir demütig.«

So wurde es - vor allem früher - gerne gesagt, mit bescheidenem und nur kurzfristigem Erfolg. Ich will lieber aus einer anderen Richtung denken: Tatsächlich ist es so, dass wir für alles einen Preis zahlen, denn unser Tun läuft nicht ins Leere. Und manche Dinge, die eine Zeit lang - leider nur für manche - so perfekt liefen, machen eben verletzlich, diesmal leider nicht nur manche, sondern alle. 

Wenn wir uns an Gott (was überraschenderweise dann auch die tun, die seine Existenz bestreiten) abarbeiten wollen, dann nicht daran, dass er uns irgendwelche Strafen schickt oder zur Besinnung zwingt. Wenn, dann doch lieber an einem Satz, der vom Profeten Amos stammt: »Suchet mich, so werde ihr leben (Amos 5,4).« Wär’ doch mal einen Versuch wert, Zeit haben wir ja, dank der Ausgangsbeschränkungen.


Montag, 20.04.2020

Was sich verändern wird

Am Ende eines populären Vortrages über ein statistisches Problem beendet ein junger Informatiker seine Rede mit der Frage, was sich im letzten Jahrzehnt (gemeint ist 2010-20) verändert habe? Für sich selbst gibt er die Antwort, es sei die Entstehung der Empörungskultur. Nicht mehr die Fakten seien wichtig, sondern ob sich jemand über etwas empöre. Natürlich leisten die sogenannten sozialen Medien dem enorm Vorschub. Dort kann jeder, auch anonym, seine Meinung äussern und muss nicht dazu stehen. Es kann gemutmasst, gelästert, gehetzt und verleumdet werden, es können Menschen verleumdet werden es macht alles nichts, kostet nichts und bleibt wohl für immer, ausser das Internet sollte irgendwann abgeschaltet werden. 

Ich kann seinen Unmut nachvollziehen. Mir selber sind diese billigen Worte auch nicht geheuer, für die ich nicht einstehen muss. Manche regieren sogar hauptsächlich mit diesen Botschaften, die maximal 140 Zeichen haben dürfen. 

Was tun wir aber in den Fällen, in denen die Faktenlage für Entscheidungen noch nicht ausreichend ist, wir aber auch nicht darauf warten können, bis es einmal so weit ist? Nun, dann müssen wir nach bestem Wissen und Gewissen und ohne Hass und Verleumdung sagen, was wir für richtig halten, immer mit der Möglichkeit rechnend, dass wir uns irren können und dann korrigieren müssen. 

Der Profet Jeremia, der mehr als einmal den Tag seiner Geburt verflucht hat, weil ihm das Profetsein zu schwer wurde, bekommt auf seine Klagen diese Antwort: 

Wenn du dich zu mir hältst, so will ich mich zu dir halten, und du sollst mein Prediger bleiben. Und wenn du recht redest und nicht leichtfertig, so sollst du mein Mund sein (Jeremia 15,19). 




Quasimodogeniti (Wie die Neugeborenen) 19.04.2020




Ostermontag, 13.04.2020

Pfarrer Hans Joachim Demuth, der in seinem Ruhestand unsere Kirchengemeinde Zell i.W. viele Jahre betreut hat, hat aus der Not eine Tugend gemacht und die Osternacht allein gefeiert, in seinem Garten. 

https://youtu.be/VmVkL3NrE60

Wir haben auch einmal versucht, eine Kurzfassung des ungehaltenen Gottesdienstes an Ostern aufzunehmen. Leider haben wir gemerkt, dass wir unsere Ausrüstung noch ein wenig aufrüsten müssen... Der Ton ist von eher bescheidener Qualität. Gefilmt hat Markus Becker. 

Ostern 2020.mp4 (331.8MB)
Ostern 2020.mp4 (331.8MB)




Ostersonntag, 12.04.2020

Ostern 2020.pdf (467.66KB)
Ostern 2020.pdf (467.66KB)



Karsamstag, 11.04.2020

Uli Führe hat Bilder des Grafikers Bruno Schley zusammengestellt und den Choral »Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen« dazu bearbeitet. 

https://www.youtube.com/watch?v=Hzgg48690gM

 


Karfreitag, 10.09.2020

Predigt

Karfreitag 2020
3. Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses
Karfreitag 2020.pdf (436.45KB)
Karfreitag 2020
3. Artikel des apostolischen Glaubensbekenntnisses
Karfreitag 2020.pdf (436.45KB)





Donnerstag, den 09.04.2020

Im Kampf um Sein oder Nichtsein

Vor 75 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer ermordet. Sein Biograf Eberhard Bethge nennt ihn: Theologe, Christ, Zeitgenosse, in dieser Reihenfolge. Er meint damit dass sich Bonhoeffers Lebensschwerpunkte dreimal stark verändert haben. Am Ende stand der Zeitgenosse, der in den Widerstand gegen Hitler ging und auch bereit gewesen wäre, eine Bombe zu zünden. Für viele Konservative (und das war Bonhoeffer von Haus aus) und noch viele mehr für viele Christen war bewaffneter Widerstand gegen die Regierung absolut undenkbar. Für Bonhoeffer war klar: Schuldig werde ich immer - ob ich nun Hitler töte, oder ob ich zuschaue, wie durch seinen Krieg Millionen von Menschen sterben. Auch von denen, die gegen Hitler waren, wurde es oft als das kleinere Übel gesehen, nichts mit Gewalt ihn zu tun. 

Viele in seiner Kirche hatten mit der Entscheidung Bonhoeffers für den aktiven Widerstand auch nach dem 8. Mai 1945 die grössten Schwierigkeiten. Nun gut, damit waren (und sind?) sie nicht allein. Auch in der Politik oder in der Rechtsprechung gab es öfter, als einem lieb sein mag, in bestimmten Bereichen eine gewisse Kontinuität vom dritten Reich hinein in die Bonner Republik. Anders als nach dem Ende der DDR konnten viele aus Hitlers Verwaltung und Rechtsprechung ohne grössere Schwierigkeiten einfach weitermachen. Das merkte man daran, dass die Unrechtsurteile, auch das gegen Bonhoeffer, lange nicht aufgehoben wurden. Im letzten Prozess gegen Walter Huppenkothen, Abteilungsleiter im Reichssicherheitshauptamt und Ankläger im Standgerichtsverfahren gegen Bonhoeffer und andere im KZ Flossenbürg, stellte das Gericht fest: 

»In einem Kampf um Sein oder Nichtsein sind bei allen Völkern von jeher strenge Gesetze zum Staatsschutz erlassen worden.« Einem Richter könne »angesichts seiner Unterworfenheit unter die damaligen Gesetze« kein Vorwurf daraus gemacht werden, wenn er »glaubte«, Widerstandskämpfer »zum Tode verurteilen zu müssen«. - Nach dieser Logik der bundesdeutschen Rechtsprechung starben Bonhoeffer, Canaris, Oster und andere zurecht als Verbrecher. 

Erst in den 1990 Jahren wurde auch das Urteil des NS Standgerichtes gegen Bonhoeffer aufgehoben und für Unrecht erklärt, nicht durch ein deutsches Gericht, so weit kommt’s noch, sondern durch ein Gesetz des deutschen Bundestages. 

Die Zeiten und die Umstände lassen sich nicht vergleichen, auch nicht die von 2020 und 1945. Was mich aber beschäftigt, ist die Frage, wie es wohl bei uns aussehen wird mit der Kontinuität, wenn die Pandemie vorüber ist? Wird es - so gut wie möglich - weitergehen wir vorher? Oder wird es einen Bruch geben und wir werden unser Leben, die Wirtschaft, die Kultur usw. umgestalten, wo es sinnvoll ist? 

Wird sich in der Politik etwas ändern, etwa in dem man versucht, nun das Elend der Flüchtlinge zu bekämpfen - und auch die Ursachen der Flucht?

Wird sich auch in unserer Kirche und in unseren mehr oder weniger »stillgelegten« Gemeinden etwas ändern, wenn wir aus dieser Stille wieder herauskommen?


Mittwoch, 08.04.2020

Wie tief...

                ...die Angst...

Da können Sie beliebige Fortsetzungen bilden. Wenn man einer Zeitung, von der man hier nicht mehr wissen muss, als dass sie mit »Z« anfängt und mit »eit« endet, glauben darf, dann wurde eine Intensivpflegerin, die Corona-Patienten betreut, nach der Beschwerde einer anderen Kundin durch den Sicherheitsdienst aus einem Supermarkt geschafft. Die anderen Bewohner ihres Dorfes grüssen sie kaum noch und machen einen grossen Bogen um sie. Das wäre so ganz anders als das Lob, das die Regierenden in diesen Tagen an diese Personengruppe so gerne verteilen.

Nun, wie würden Sie den Satz in der Überschrift fortführen? Im ersten Augenblick schiesst mir durch‘s Hirn: Wie tief kann der Mensch noch sinken? Und boshaft denke ich mir: Wer so etwas tut, ja, Ihr, Ihr werdet alle nicht gepflegt, wenn‘s Euch erwischen sollte. Genau!

Aber nein, jetzt bin ich ungefähr auf dem Niveau wie eine gut erfunden Fussballanekdote, wo die Fans den Schiedsrichter, nach einem - natürlich völlig unberechtigten - Elfmeter angeifern: »Ey, Schiri, wir wissen, wo dein Haus wohnt…«

Dann lieber noch einmal: Wie tief kann die Angst noch werden? Besser so?

Bei allem Ärger, wenn ich auf die »…« anderer herunterschaue, sinke ich gleich mit in die Tiefe. Ich muss an den Werbetrailer einer (völlig sinnfreien / unsinnigen / schwachsinnigen... ach, suchen Sie sich was aus) Fernsehsendung denken, in dem ein Teilnehmer (selbstironisch?) sagt: »Diese Sendung bringt das Schlechteste in uns zum Vorschein.« Macht das Corona mit uns auch? 

Ich fürchte, dass das schon geschehen könnte oder  schon geschehen ist. Und muss gestehen, dass ich kein Mittel dagegen weiss, weder gegen die Tiefe der Angst noch gegen das tiefe Sinken. Ich kann nicht mal raten: Menschlich bleiben! Denn zum Menschsein gehört so ein Verhalten leider auch. 

In der Vertreibung aus dem Paradies heisst es, sie werden künftig »im Schweisse ihres Angsichts« ihr Brot essen. Ich fürchte, nicht nur das ist für die grosse Mehrheit der Menschen wahr geworden, sondern auch das, dass wir mit der Begrenztheit unseres Mitgefühls und unseres Verstandes leben müssen. 

Was machen wir da? Die Schwaben haben’s leicht, die haben für so was ein Gebet, das ein wenig überheblich klingt: »Herr, schmeiss Hirn raa!« Muss ich nicht übersetzen, oder?

Und was machen die Nichtschwaben? Ich halte mich an die Bergpredigt: »Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen« (Mt.5,7). O Gott, lass mich barmherzig sein, und andere auch mit mir, ich will nicht, dass das Regal mit der Barmherzigkeit und das mit meinem Verstand in mir aussehen, wie das mit dem Toilettenpapier im Supermarkt.


Dienstag, 07. April 2020

Sorgen 

In den beiden Anleitungen zum Beten folgen wir einer Tradition der reformierten Kirche Schottlands.

Wenn Sie Sorgen haben oder aufgewühlt sind: Denken Sie daran, dass Jesus Christus versprochen hat »Ich bin bei Dir alle Tage« und sprechen Sie: 

Ich bin verzweifelt, Gott, und verzagt, 

weil …

Wenn ich nicht mehr weiss, wie es weitergehen soll,
hilf mir, Dir trotzdem zu vertrauen,

wenn ich nichts mehr verstehe, auch Dich nicht,
dann legen Glauben in mich, 

wenn alles nur noch dunkel erscheint,
dann lass etwas von Deinem Licht
in mein Herz scheinen. 


Wenn Sie jemand kennen, dem Ihr Gebet gut tun würde: Denken Sie daran, dass Gott zuhört - dass er vielleicht gerade Sie gebrauchen will, um seine Liebe weiterzugeben - und sprechen Sie: 

Deiner Liebe und Fürsorge, Gott, 

befehle ich alle, die mir nahe sind, 

besonders …

Nimm dich um jedes verletzte Herz an,
um jedes Haus, in dem Sorgen herrschen, 

sei bei allen, die leiden und traurig sind

und schenke ihnen Deinen Frieden
und Deine Ruhe, besonders …

Darum bitte ich Dich
durch Jesus Christus, unseren Herrn.


Montag, 06. April 2020

Pandemie, ein Weckruf? So heisst es in den Nachrichten. 

30 Minuten Nachrichten, ein Thema: Das Corona-Virus und die Folgen. Mann spürt die Verunsicherung in jeder Schlagzeile. Das Handwerk befürchtet Pleiten, die Industrie auch, das gebeutelte Gastgewerbe ohnehin. Der Staat plant zusätzliche Hilfen für den Mittelstand. Mittelstand? Klar, das sind die, die sonst nie was bekommen vom Staat. Man befürchtet, dass die staatlichen Hilfen aber zu spät kommen werden, da alles von den Hausbanken ausgebremst werde. Einige europäische Länder rufen nach Solidarität der Anderen. Man bräuchte ein Rettungsschirm von 1000 Milliarde Euro. Ja, 1.000.000.000.000 Euro. Da müssten ganze Altersheime lange dafür stricken, eine alte Frau reicht da wirklich nicht mehr. Ein Staat bezichtigt den anderen, ihm die bestellten Schutzmasken abgezweigt zu haben. Ein Akt der Piraterie! 

So könnte ich weiterschreiben, seitenlang, denn inzwischen machen alle mit, beim Schreiben über Sorgen, Bedenken, Befürchtungen und Spekulationen über die Zukunft. Nicht nur die Zeitung mit den vier grossen Buchstaben aus Berlin, sondern auch der Ableger für die Intellektuellen (ja, mit sieben Buchstaben und aus Hamburg).

Ein Kabarettist sorgt sich, dass die Entscheidungsträger nicht etwas tun, weil sie von dessen Richtigkeit überzeugt seien, sondern irgend etwas, damit niemand sagen könne, es sei nichts geschehen. 

Was soll ich dazu sagen? Ich weiss es auch nicht besser. Ich leihe mir Worte Dietrich Bonhoeffers, der am 9. April seinen 75. Todestag hat, auf Führerbefehl ermordet, 21 Tage, bevor dieser in »Ausübung seiner Pflichten« um Leben gekommen sei, wie man auch so kurz vor dem Zusammenbruch noch den Suizid schönfärbte. Was waren das für Menschen, die auch so kurz vor dem absehbaren Ende noch an den »Endsieg« glaubten? 

Dem, und unserer Verunsicherung, seien diese biografischen Verse Bonhoeffers gegenübergestellt:

Tat

Nicht das Beliebige, sondern das Rechte tun und wagen,

nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen,

nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit.

Tritt aus ängstlichem Zögern heraus in den Sturm des Geschehens,

nur von Gottes Gebot und deinem Glauben getragen,

und die Freiheit wird deinen Geist jauchzend empfangen.

Nur vom Glauben getragen... ich lasse mir das sagen, weil es Worte eines Menschen sind, der weiss, dass er nicht mehr lebend aus dem Gefängnis herauskommen wird. 

Darüber, wie dieser Glaube »geht«, entfaltet Paulus eine ganze Kette von Erfahrungen: 

Das Leid lehrt, standhaft zu bleiben. Die Standhaftigkeit lehrt, sich zu bewähren. Die Bewährung lehrt, zu hoffen. Aber die Hoffnung macht uns nicht zum Gespött (aus dem Römerbrief, Kapitel 8). 

Na, klingelt‘s bei Ihnen? Der Weckruf! Nein? Macht nichts, nach dem Aufwachen sind alle ein wenig verpeilt (bis auf diese Frühaufsteher, die so unverschämt wach aus dem Bett springen).

Aber wenn wir uns berappelt haben, dann entscheiden auch wir, was es auszuhalten gilt und wo es besser ist, etwas zu tun.


Sonntag, 05. April 2020

Predigtreihe über das Glaubensbekenntnis




Samstag, den 04. April 2020

Shabby chic

Bewahren Sie gerne alte Sachen auf? Wer weiss, man könnte sie ja noch einmal brauchen! Also, kommen Sie mit, ich zeige Ihnen etwas. Wir machen eine kleine »archäologische« Reise, in das, was manche ihre Rumpelkammer nennen. Ich habe da was gefunden, von dem die meisten gar nicht wussten, dass es noch da ist. Ich meine eines der Lieder aus dem Gesangbuch für die kommende Woche. Irgendwo in Ihrem Bücherregal steht es, vielleicht in der zweiten Reihe, dieses Gesangbuch. Manche haben es nur noch, weil Momox es nicht nimmt. Darin stehen viele »alte Schätzchen«. Eine Probe gefällig? 

»Dein König kommt in niedern Hüllen, ihn trägt der lastbarn Es’lin Füllen… Trag ihm entgegen Friedenspalmen, bestreu den Weg mit grünen Halmen, so ist’s dem Herren angenehm« (Evang. Gesangbuch Nr. 14). 

Ich bin mir sicher, die Mehrheit unserer Bevölkerung hätte nicht einmal so weit freiwillig gelesen. Manche hätten sich ratlos am Ohr gekratzt und gedacht: „Äh, wie bitte?“ andere fragen sich, was das für ein Quatsch sei? 

Ich übersetzte mal: Es kommt ein »König«, damit ist einer gemeint, der etwas kann und der es gut mit uns meint. Kein Diktator, keiner, der eine Krise dazu benutzt, das eigene Parlament, die Bürgermeister und am besten noch die Gerichte auszuhebeln. Er kommt nicht in Gucci-Klamotten (Verzeihung, Herr Armani oder Herr Boss), er fährt nicht in der gepanzerten Vorstands- oder Präsidentenlimo vor, sondern er sitzt in einer Rikscha, bestenfalls in einem Tuk-Tuk. Und alle, die ihn willkommen heissen wollen, sollen das mit Friedenspalmen tun. Das ist doch mal ein Alternativprogramm. 

Ist das nun echt, oder eine Show? Muss wohl echt sein, denn sogar der eigene Verein, ja, ich meine die Kirche, hat diese Bescheidenheit immer wieder mal vergessen, bis heute. Wir brauchen gar keine Lupe und keinen Archäologenpinsel, ein Bisschen pusten reicht, weg ist der Staub und unser Fund erzählt jedem von Bescheidenheit und Frieden. 

Machen Sie noch einen Augenblick mit? Dann nehmen wir uns das nächste Artefakt:

»O mächtger Herrscher ohne Heere, gewalt’ger Kämpfer ohne Speere, o Friedefürst von grosser Macht. Es wollen dir der Erde Herren den Weg zu deinem Thron versperren, doch du gewinnst ihn ohne Schlacht«.

Keine Waffen, keine Söldner, kein Geheimdienst, keine Finanzen in Milliardenhöhe, woher soll da die Macht kommen? Während wir uns noch wundern, haben es die Mächtigen aller Zeiten immer schnell verstanden: So ein verrückter Idealist, der stört. Aber der geht einfach seinen Weg weiter. Ohne Gewalt und Waffen, ausser der einen, dass er uns Menschen liebt und dass er bereit ist, für uns alles zu geben. 

Ist das veraltet? Wohl schon, aber das war es immer schon. Wenn es immer schon so war, dann ist es zeitlos. Vielleicht nehmen wir das doch wieder in unserem Leben auf? Ein Bisschen vintage, aber das ist doch wieder in. Oder shabby chic? Das wär doch mal was. 

Shabby chic, so werden wir bei wikipedia belehrt, »war ursprünglich eine Gegenbewegung zu der Neigung der oberen Mittelklasse, sich kostspielige Innenausstattung im viktorianischen Stil anzuschaffen«. Na, das passt doch. Wir erfahren auch noch, dass es zu Stil gehört, dazu »eine Mischung aus Erbstücken, Flohmarktkäufen und Selbstgemachtem sowie Möbel und Gegenstände mit sichtbaren Gebrauchsspuren zum Konzept gehören.« Ja, Sie sind doch auch einmal getauft worden, waren vielleicht im Kindergottesdienst, im Religionsunterricht, sind konfirmiert worden, vielleicht sogar getraut und haben ihre Kinder taufen lassen? Das ist lange her? Macht nichts, vielleicht wäre das ihr ganz persönlicher Zugang, nicht nur zu diesem Lied mit seinem sprachlichen shabby chic.


Freitag, den 03. April 2020

Das Wasser geht mir bis an die Kehle (Wochenpsalm = Ps. 69)

Nun sind wir schon in der dritten Woche mit Ausgangsbeschränkungen. Noch werden sie akzeptiert, inzwischen sind die Beschränkungen auch mit deutlichen Strafen bewehrt. Wie lange wird das noch dauern? Und wann ist es so weit, dass Menschen sie nicht mehr aushalten (wollen) und beginnen, sie zu hintertreiben? Da lernt sich mancher selbst noch einmal ganz neu kennen. Es macht mit jedem von uns etwas, wenn das Selbstverständliche nicht mehr selbstverständlich ist. Und dabei geht es noch gar nicht darum, ob später die ganzen Einschränkungen auch wirklich wieder aufgehoben werden… 

Einen Teil unserer Erfahrungen finden wir in den nun zu unverhoffter Aktualität kommenden Worten aus Psalm 69. Bei manchen Sätzen hat man den Eindruck, als ob sie gestern geschrieben worden wären. Es dürften viele sein, die das, was hier beschrieben wird, im übertragenen Sinn so erleben, dass ihnen »das Wasser« bis an die Kehle geht. Dass sie ihren Verwandten und Freunden »fremd werden«, weil man sich kaum noch sieht. 

Freilich stand damals kein Virus im Hintergrund, sonder das »Der Eifer um dein Haus hat mich gefressen…« O, da werden uns die alten Worte schon wieder fremd. Auch wenn es beim »Eifer um dein Haus« für uns um mehr als das Bauwerk Kirche geht. Da ereifern sich Menschen meistens nur noch, wenn eine Kirche entwidmet und dann verkauft oder abgerissen werden soll, also schon spät bis zu spät. 

Mit Gottes »Haus« ist für uns auch die Gemeinde gemeint und die Kirche als Gestalt des gelebten Glaubens. Da gibt es keinen fressenden Eifer, und wenn doch, ist er vielen eher verdächtig. Dass wir so radikal alles einer Sache unterordnen, das kennen wir - im Guten - am ehesten noch von der Zeit, als wir uns heftig verliebt hatten. Ob sie sich noch etwas aus dieser Zeit bewahrt haben, wenigstens als Erinnerung? Die Zeit, als der (hier säkularisierte) Satz Tersteegens wirklich war: »Ich fühls, du bist‘s dich muss ich haben« (EG 651,3)? Und manche denken: »Ach, wenn ich doch nur noch mal jung wäre!« Nun, die Jugendzeit, »sie kommt nicht mehr«, für uns. 

Aber seltsam, dass sich einer seine Jugend so lange schon bewahrt hat, Gott, der hinter uns herläuft und uns zu erreichen versucht, wie ein Verliebter, so unermüdlich… Und wenn Sie sich ihm wieder einmal zuwenden, und das Gespräch mit ihm suchen? Zumindest im Kopf ist der Weg in den Eifer unserer jungen Jahre gar nicht so weit. Sie werden sogar feststellen, dass seine »treue Hilfe« auch nicht weit ist. Die ist selbstverständlich und immer da. - »Isso!«, würden die Jungen sagen. 

(aus Psalm 69:)

2 Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle.
3 Ich versinke in tiefem Schlamm, wo kein Grund ist; ich bin in tiefe Wasser geraten, und die Flut will mich ersäufen.
4 Ich habe mich müde geschrien, mein Hals ist heiser. Meine Augen sind trübe geworden, weil ich so lange harren muss auf meinen Gott. Denn um deinetwillen trage ich Schmach, mein Angesicht ist voller Schande.
9 Ich bin fremd geworden meinen Brüdern und unbekannt den Kindern meiner Mutter;
10 denn der Eifer um dein Haus hat mich gefressen, und die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.
14 Ich aber bete, HERR, zu dir zur Zeit der Gnade; Gott, nach deiner großen Güte erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.


Donnerstag, den 02. April 2020

Von der (vorübergehenden) Sehnsucht nach Normalität

Normalität wird spätestens dann attraktiv, wenn wir sie eine Weile nicht mehr haben. Irgend wann wünschen wir sie uns zurück, vor allem, wenn es nicht geht, so wie jetzt. 

Keine Normalität haben wir auch beim Konfirmandenunterricht. Wir können nur noch Aufgaben verschicken und bekommen sie bearbeitet zurück, das persönliche Gespräch oder das in der Gruppe fällt weg, das ist schon sehr unbefriedigend, wenigstens für mich. 

Nun ging es in diesen Tagen bei uns auch um Römer 12 und der Aufstellung, wie sich Paulus ein christliches Leben vorstellt. Wenn Sie das mal lesen, werden Sie vielleicht denken: »Normal ist das nicht!« Eine Person aus unserer Gruppe hat zu einem Gedanken aus Römer 12,11 »Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Seid brennend im Geist. Dient dem Herrn« (Römer 12,11) angemerkt: »An sich finde ich den Satz gut, mich stört aber »dient dem Herrn«, damit wird eher Druck ausgeübt und der Zwang, Gott zu dienen wird größer / groß.«

O je, denke ich mir, das ist ja schade, wenn das Christsein als Druck empfunden wird. So ist es doch nicht gemeint, oder? Aber unbequem ist es schon, Gott zu dienen. Für viele ist es so, dass da wirklich noch etwas dazukommt in ihrem Leben und sie denken, »Jetzt soll ich das auch noch machen!« Da gibt es schnell Widerstände, wenn scheinbar immer noch etwas dazukommt. Dann wird jeder beginnen, Abstriche zu machen und zu entscheiden, was ihm / ihr wichtiger ist, der Rest muss warten, der Glaube vielleicht auch. Heute ist es eher »unnormal«, dass der Glaube an Gott eine wichtige Rolle im Leben spielt und nicht nur dann vorkommt, wenn sonst gar nichts mehr ist. 

Und was macht man da so, wenn wir Gott dienen? Paulus meint z.B.: »Freut euch mit den Fröhlichen, weint mit den Weinenden«. Hm, geht gerade nur per Telefon oder auf Distanz, da ist es eher nutzlos. »Ist’s möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.« Ja, das geht, auch jetzt. »Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann«, das geht auch. »Übt Gastfreundschaft.« Geht gerade nicht. O, es sind wirklich keine einfachen Zeiten. Was ist da noch normal? Gut, versuchen wir es einfach mal mit dem, was geht, das Andere darf erst mal warten. Das sehe ich ein. Ist ja nicht für immer. Und der Druck? Vielleicht könnte man es so anfange, dass wir mit dem anfangen, was »von innen« kommt, ganz freiwillig, weil mir Gott und andere Menschen wichtig sind. Und dann sehen wir, wie sich das entwickelt, ob es uns nicht einfach gut tut, Gott zu dienen in dem, was wir tun. Aber eins ist sicher: Normal ist das nicht.


Mittwoch, 01. April 2020

Was vom Vater erwartet wird

Viele hätten ihm das nicht zugetraut, haben über ihn gelästert, als er Pateivorsitzender und dann Ministerpräsident in Bayern wurde. Jetzt, in der Corona-Krise, wird seine Handeln bewundert. Endlich einer, der weiss, was er tut. Lassen wir es dahingestellt, ob der Markus Söder ausser »bayerischer Landesvater« auch noch der neue »Bundesvater« werden sollte. 

Tatsächlich scharen sich Menschen in unsicheren Zeiten gerne um den Mann oder die Frau, und wollen sich sagen lassen, wo es lang geht und was jetzt richtig ist. Das entlastet. 

In der Kirche ist das nicht viel anders. Man sucht dort vielleicht nicht gleich Gott, den »Vater«, sondern hält sich gerne an das »Bodenpersonal«. Bei den röm.-kath. Geschwistern ist das natürlich Francesco. Und bei uns? Ach, da haben wir ja gar niemand, werden manche sagen. Selber schuld, werden auch welche sagen. 

Gemach, wir haben keinen Francesco, aber wir haben dafür einen, der zu einem »evangelischen Heiligen« geworden ist. Wir haben Dietrich Bonhoeffer, bei vielen beliebt, seltsamerweise: Von fromm bis liberal, von fortschrittlich bis konservativ. Fast alle finden bei ihm »ihr« Zitat. Der Arme, denke ich mir. Hat er das verdient, dass jeder sich bei ihm bedient, um mit seiner Reputation als christlichem Märtyrer, die eigene Position unangreifbarer zu machen? Am 9. April vor 75 Jahren wurde Bonhoeffer ermordet, auf Befehl dessen, dem viele Deutsche als ihrer »Vater«figur gefolgt waren. 

In seiner Schrift »Nach 10 Jahren« schrieb Bonhoeffer:

»Ich glaube, daß Gott aus allem, auch aus dem Bösesten, Gutes entstehen lassen kann und will.«
Damit war nicht »Corona« gemeint, aber Sie werden sich Ihre eigenen Gedanken dazu machen. 

»Dafür braucht er Menschen, die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.« 

Bonhoeffer denkt wohl an Römer 8,28: »Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen…«. Nun, gut gesagt, aber nicht so ganz leicht auch getan. Probieren Sie es doch mal aus, was Ihnen aus Ihrem Leben dazu einfällt. 

»Ich glaube, daß Gott uns in jeder Notlage soviel Widerstandskraft geben will, wie wir brauchen. Aber er gibt sie nicht im voraus…«
Oha, Gottvertrauen, und das in Zeiten der Hamsterkäufer. Immerhin, hier ist nicht einfach die Rede vom die Hände in den Schoss legen, obwohl das auch mal dran sein kann, sondern die Rede ist von Widerstandskraft. Die haben wir oft eher nicht, jedenfalls dann, wenn es persönlich wird (siehe Hamsterkäufer). Die muss man sich schenken lassen. Aber im Ernst: Wollen Sie wirklich so weit gehen? Wenn ja, dann: Herzlichen Glückwunsch!

»Ich glaube, daß auch unsere Fehler und Irrtümer nicht vergeblich sind, und daß es Gott nicht schwerer ist, mit ihnen fertig zu werden, als mit unseren vermeintlichen Guttaten…«

Wie tröstlich. Wir dürfen Fehler machen und Irrtümern aufsitzen. Wir brauchen beim Spiel der politischen »Väter« (und »Mütter?«) und der Journalist*innen jeder Art nicht mitzumachen, wer zu früh, zu spät, zu streng, zu lasch gehandelt habe. Diese Sau treiben wir nicht durch Dorf und Stadt, sondern vertrauen darauf, was der Liedermacher Konstantin Wecker einmal so gedichtet hat: »Doch weil der Himmel gütig ist, kann einem selbst der grösste Mist, darf einem oft die grösste Pein im Nachhinein ganz nützlich sein.« Den richtigen »Vater« und die richtige »Mutter« muss man haben.


Dienstag, 31. März 2020

Ist  CORONA eine Strafe Gottes?

Klar, so eine Frage muss irgend wann kommen. Wenn ja, dann sollte man auf jeden Fall wissen, für was, sonst wäre eine Strafe auf jeden Fall völlig sinnlos. In der Bibel gibt es den Gedanken öfters. König David wir für seine Eitelkeit bestraft, das Volk, das nichts dafür kann, gleich mit. Im Neuen Testament wird ein heuchlerisches Ehepaar bestraft usw., aber wer sagt uns, dass das Strafen Gottes sind? Ich könnte das nicht. Wenn überhaupt, denke ich, kann man von Strafen Gottes nur persönlich reden, weil man etwas für sich so empfindet. Aber sonst?

Nun kam aber ein schweizer Arzt (siehe Eintrag vom 24.3.) kürzlich mit dem Gedanken um die Ecke, die »Evolution« könnte uns das Corona-Virus geschickt haben, um wieder etwas »in Ordnung« zu bringen. Erstaunlich. Die »Evolution« will uns noch eine Chance geben. Damit es nicht so kommt: Treffen sich zwei Planeten. Der eine: »Du siehst furchtbar aus«. Der andere: »Ach, ich habe die Menschen«. Darauf der erste: »Ja, das ist übel, aber sei froh, das geht vorbei…« Der Mensch, eine Virus, das dann irgendwann vom Immunsystem abgetötet wird? Leider verhalten wir uns öfters genau wie ein Virus: Wir beuten den Wirt aus, bis er nichts mehr hergibt.

Trotzdem, ich denke nicht, dass jemand von uns die Kompetenz und die Autorität hat, etwas als die Strafe Gottes zu bezeichnen, auch nicht das Corona-Virus. Zumal, wenn es andere betrifft. Aber ob uns das Virus auf Fehlentwicklungen aufmerksam machen könnte? Das wäre nicht der verkehrteste Gedanke. Doch auch das müssen wir selber deuten. Mir persönlich fiele da einiges ein, wo ich den Eindruck habe, dass wir so nicht weiter machen können, allen voran, dass unsere Staaten nur funktionieren, wenn es ständiges Wirtschaftswachstum und mehr Konsum gibt. Denn das würde für alle bald 8 Milliarden Menschen niemals gehen, so viele Ressourcen hat dieser Planet nicht.

Es ist schon erstaunlich, wie ein Virus unser ganzes System ins Wanken bringt. Ich persönlich möchte nicht von einer Strafe Gottes reden, aber ein: »Halt, denk mal nach, bevor es zu spät ist!«, das könnte Corona schon sein. Dann wäre es keine Strafe, sonder eine Chance, freilich nur für die Überlebenden. Das wäre das Zynische an dieser Überlegung. Andererseits haben wir das öfters, dass einige die Suppe einbrocken und die Mehrheit muss sie (mit) auslöffeln. Wir Menschen leben nun einmal in einer Verantwortungsgemeinschaft. 

Also, Corona eine Strafe Gottes? Ich könnte das nicht sagen. Eine Warnung, eine Mahnung? Wenn wir uns das wirklich zu Herzen nähmen, dann wäre es sicher nicht verkehrt. Da spielt es auch keine Rolle, ob jemand denkt, das schickt uns Gott oder »die Evolution«. Hauptsache erst einmal, wir ändern etwas, und zwar so, dass alle etwas zum Leben haben.


Montag, 30. März 2020

Vergesst es nicht!

Ein Gastbeitrag von Schuldekan Dirk Boch, Staufen

Einmal wird diese Corona-Krise vorbei sein...

Vergesst dann nicht 

  • wie lange wir uns "getröstet" haben: "das ist weit weg von uns und kann uns nicht treffen..."
  • wie fern uns anfangs Italien schien - "wir sind vorbereitet - bei uns wird es nicht so schlimm"
  • wie sehr uns der Ausschluss von Fans bei Fußballspielen und später die Spielabsagen getroffen haben - als ob das die wichtigsten Probleme wären
  • wie sehr wir uns nun sorgen, dass selbst die drastischen Maßnahmen nicht helfen werden 

Vergesst das nicht, wenn die Krise vorüber ist...

... denn die große Krise - die unseres Klimas - geht nicht vorüber,

  • wenn wir die fernen Vorboten übersehen
  • wenn wir erst handeln, wenn wir die verheerenden Folgen am Leibe spüren

Denn dann ist es unumkehrbar zu spät - für uns alle und unsere Kinder & Enkel...

Darum erinnern wir uns, wenn die Krise vorüber ist

  • an die Solidarität und Menschlichkeit, die an so vielen Orten aufbricht und lebt! Danke!
  • an die Möglichkeiten moderner Technik für Kommunikation und Begegnung ohne Auto- oder Flugreisen
  • an die Bedeutung so vieler Berufe, die unter uns und von uns gering geachtet und bezahlt werden

Ja, wir werden Fluggesellschaften retten - auch wenn wir sie hoffentlich nicht mehr so dringend brauchen werden. 

Und vielleicht machen wir ja noch ganz andere Entdeckungen, die es zu erinnern gilt.

Bis dahin: lasst uns zusammenhalten - auch wenn wir uns nur auf Distanz begegnen. 

Gott segne euch - sein Segen überwindet Distanz!

Er trägt durch Krisen. Vergesst es nicht!

Dirk Boch

Sonntag, 29. März 2020 (»Judica«) 

Judica 2020.pdf (440.34KB)
Judica 2020.pdf (440.34KB)




Samstag, 28. März 2020

Gottvertrauen - ein tröstlicher Gastbeitrag von Diakonin Rebekka Tetzlaff

Im Religionsunterricht habe ich kürzlich die Geschichte von Punchinello vorgelesen. Einer Holzpuppe, die im Holzpuppenland lauter graue Klebe-Punkte bekommt, weil sie immer doofe Sachen macht und die anderen sie deshalb blöd finden. Er würde gerne gelbe Klebe-Sterne bekommen aber die sind nur für gute Holzpuppen. Eigentlich eine traurige Geschichte, bis Punchinello das Holzmädchen Lucia trifft. Lucia hat keine Punkte. Und keine Sterne. Die Aufkleber haften einfach nicht an ihr. Punchinello möchte wissen wie das geht und so schickt sie ihn zu dem Holzschnitzer Eli, der in seiner Werkstatt auf dem Berg lebt. Dieser begrüßt Puncinello und freut sich über seinen Besuch, das hat die kleine Holzpuppe noch nie erlebt. Aber Eli sagt: Natürlich freue ich mich dich zu sehen! Ich habe dich gemacht und ich mache keine Fehler.

Da meldet sich ganz unaufgefordert eine Erstklässlerin und sagt: »Das ist wie bei mir. Ich mach auch manchmal was falsch, dann sagen die anderen, dass das doof war und sie loben mich, wenn ich was schaffe aber Gott liebt mich immer.«

Mein Ziel für diese unbeständige Zeit? So ein unerschütterliches Gottvertrauen, wie dieses Mädchen.


Freitag, den 27. März 2020

Schon alles bedacht? 

Es ist ein gewaltiges Durcheinander. Kleine Betriebe werden sich nur langsam erholen. Gastronomie und das Hotelgewerbe in manchen Fällen vielleicht gar nicht. Der Gesundheitsminister orakelt schon den zweiten Tag, dies sei nur die Ruhe vor dem Sturm. 

Und wie wird es mit den Kirchen weitergehen? Ich mache mal das, was an der Börse so viel Geld bringen kann: Ich spekuliere mit etwas, das ich gar nicht habe. Dort sind das Aktien und bei mir ist es das Wissen, was kommt. Ich wette darauf, dass die Kirchen sich nicht wieder füllen werden. Mal sehen, wie es ausgeht. 

»Nur« wegen Corona sollten sich die Kirchen auch nicht füllen. Dann wäre Angst unser Geschäftsmodell. Und Angst ist, wie man an der Börse sagt, ein sehr volatiles (=flüchtiges) Geschäft. Wir als Kirche sollten nicht mit der Angst der Menschen handeln. Denn Angst haben Menschen schon genug. Manche sogar davor, krank zu werden. Einige, die sonst zuverlässig die Arztpraxen füllen, trauen sich das gar nicht mehr. 

Auch die Verschwörungstheorien haben Konjunktur. »Da wollen welche unsere Wirtschaft kaputt machen!«, heisst es. Manche verdienen richtig gut Geld mit der Krise. Nicht nur die Atemmaskenhändler und -schieber. Auch die Hegdefonds sind wieder da. Schlanke 2,6 Milliarden Dollar will da einer mit seiner Wette auf fallende Börsenkurse verdient haben. Ich mag so was gar nicht kommentieren, auch nicht die Tatsache, dass das immer noch erlaubt ist. 

Da fällt mir der gute William Butler Yeates ein. Manchmal scheint er ganz gut den Untergangsprofeten zu geben. In seinem Gedicht »Das zweite Kommen« heisst es unter anderem: 

Drehend und drehend in immer weiteren Kreisen

Hört der Falke seinen Falkner nicht; 

Alles zerfällt, die Mitte hält nicht mehr;
Und losgelassen nackte Anarchie,
Und losgelassen blutgetrübte Flut, und überall
ertränkt das strenge Spiel der Unschuld;
Die Besten haben keine Meinung mehr, die Schlimmsten
Sind von Kraft der Leidenschaft erfüllt.

Da kann es einen gruseln. Im Wochenlied für die kommende Woche finden sich passende Worte:
Denn die Erde jagt uns (!) auf den Abgrund zu. Doch der Himmel fragt uns: Warum zweifelst du? Kyrie eleison, sieh, wohin wir gehn. Ruf uns aus (!) den Toten, lass uns auferstehn (Evang. Gesangbuch 97,5).

Wieso eigentlich »aus«? Und ob am Ende jeder Spekulant doch bekommt, was er (sie?) verdient? Immerhin gibt es nach Robert Musil »Spekulationen … à la baisse und à la hausse« (Mann ohne Eigenschaften, 1. Buch). 


Donnerstag, den 26. März 2020

Der Wochenpsalm ab dem kommenden Sonntag:

Schaffe mir Recht, Gott / und führe meine Sache wider das treulose Volk… (Psalm 43,1)

Das musst du tun, Gott, denn sonst bin ich es, der richtet. Wie soll ich mich denn sonst gegen die anderen wehren? Wenn ich den Eindruck habe, ich kann mich nicht mehr durchsetzen, dann kann ich auch austeilen. Dann breche ich den Stab über den anderen. Über die, die noch immer wie die Bescheuerten Klopapier horten. Schwachmaten. Wollen die sich denn jeden Tag drin einwickeln? Als Virenschutz? Schade, das Klopapier nicht schimmelt. Das hätten sie dann davon. Oder sie sollen den Büchsenöffner nicht finden, wenn sie die gehorteten Dosen mit Pichelsteiner öffnen wollen. Und backen sollen sie auch nicht können, weil die gehamsterte Hefe längst vertrocknet ist … Ja, da kann ich mich richtig reinsteigern, so ganz ohne das professionelle Verständnis der Psychologen endlich mal austeilen. Lassen wir es lieber. 

Ich will nicht richten und über anderen den Stab brechen. Schaffe du mir Recht, Gott, richte du mich. Bevor ich zu Furie werde. Ja, so ist es wohl, in den Krisen zeigt sich ganz offen, wer wir sind. Oder: Jeder entstellt sich bis zu Kenntlichkeit. 

Da bleibt mir nur noch: Gott bewahre - mich und die anderen vor mir. Damit sie nicht wegen mir die Security rufen müssen, wenn nur 20 in den Laden dürfen und ich bin - verflixt noch mal - der 21. 

Sende dein Licht und deine Wahrheit 

O ja - ich mach mal den Krisenratschlagsonkel. Wer sich gar nicht mehr zu helfen weiss, der schaue bei youtube nach oder besser noch, kaufe sich die CD mit Mendesssohns Vertonung des Psalm 43. Ja, ich weiss, die Musik klingt überhaupt nicht nach Schlager, Hip Hop oder Hard Rock. Aber vielleicht lässt mich die Krise auch mal etwas ertragen, das »gar nicht meins ist«. Da könnte nicht nur dem gepflegten evangelischen Bildungsbürger ein Licht aufgehen, bei dieser Musik. Was Sie also tun könnten, in dieser tatsächlichen und in der medial befeuerten Krise: 

Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir? Harre auf Gott…

Oder, wieder für die digital natives: 

Warum bist du so aufgewühlt? Halte doch Ausschau nach Gott!


Mittwoch, den 25. März 2020

Schmerz

Warum syt dir so truurig?

Warum seid ihr so traurig?

Nei, dir wüsset ke Grund

Nein, ihr habt keinen Grund dazu.

Vilicht, wenn der e Grund hättet

Vielleicht, wenn ihr einen Grund hättet, 

Wäret der weniger truurig

wärt ihr weniger traurig.

Mänge, wenn ds Läben ihm wehtuet

Mancher, wenn ihm das Leben weh tut, 

Bsinnt sech derdür wider dra.

erinnert sich so wieder daran. 


Tatsächlich wendet sich das Lied Manni Matters an Menschen in einem gewissen Wohlstand, also an uns, wir werden gefragt, ob wir noch merken, wie wir aussehen: traurig, obwohl wir genug haben. Jetzt aber haben wir einen Grund, traurig zu sein: Manche, weil sie wirklich erkrankt sind, andere, weil sie Angst davor haben, viel zu viele, weil sie zu ersten Mal so etwas wie Existenzangst haben, oft wirklich berechtigt. 

Jetzt tut uns das Leben weh, auch wenn wir einen Vergleich mit denen in den Lagern nicht ziehen wollen, hoffentlich. Es ist ein unbekanntes Gefühl, vielleicht sogar wirklich das Ende eines in der Summe sorgenfreien Zeitalters.  

Also was? Besinnen wir uns? Da müsste man erst mal etwas haben, auf das wir uns besinnen könnten. Etwas, das wir vor jahren abgetan haben als überholt, lächerlich, aufgezwungen. Viele werden suchen und feststellen, dass sie da gar nichts haben. Das merkt man an ihrem Verhalten. Bis gestern hat das IOC gebraucht, um die Olympiade zu verschieben. Eine Schande? Ach, ich weiss nicht so recht, es ging ja ums Geld, um viel Geld sogar. Warum sollte ausgerechnet das IOC es nicht mit einem der gewieftesten pseudoreligiösen Kapitalisten halten (in den USA ist seine Organisation sogar eine »Kirche«) und seinen Satz: »Make money, make money, make more money.« Wir sind doch alle nur Kinder unserer Zeit?!

Also was? Nehmen wir uns einen Tag Zeit um dem nachzutrauern, was wir vielleicht nie hatten? Nehmen wir uns etwas Zeit um zu überlegen, auf was wir nachhaltig reagieren? Auf Freude? Auf Lust? Auf Schmerz? Hoffentlich sind wir doch nicht ganz die, die alles auf das so tragfähige Fundament des Sandes gebaut haben. Sand ist fast so tragfähig wie Fels, solange kein Wasser im Spiel ist. 

»Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stiessen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war gross« (Mt. 7,27). Ist das nun ein religiöses Problem und darum für viele vernachlässigbar, oder ist es doch ein statisches?


Dienstag, den 24. März 2020

Die Natur, die Evolution und das genius epidemicus 

»… andererseits weiss man nicht, warum die Natur, die Evolution, immer wieder ein genius epidemicus schickt, um etwas in Ordnung zu bringen in der Biologie der Menschen und der Tiere … warum und woher weiss niemand, aber da gibt es irgend einen genius, den wir noch nicht verstehen, der die Menschheit korrigieren will. 

Dr. med. Andres Bircher, CH 

Klingt irgendwie danach, als ob da ein verzweifelter Kirchenmensch darauf hofft, die Korona-Epidemie möge seine und alle anderen Kirchen wieder füllen. Gemach, hier spricht ein Arzt aus der Schweiz, kein Pfarrer, und er nennt als Ursache die »Natur« und »die Evolution«. Das hat mich überrascht. Anscheinend vermutet er in der Evolution irgendwelche ordnenden Kräfte. Gut, das war von Anfang an so, Darwin nannte das ordnende Prinzip »survival of the fittest« , also die Lebensform, die sich am besten anpassen kann, wird überleben. 

Und nun? Müssen wir uns an diese und vielleicht noch kommende Epidemien anpassen, um zu überleben? Und was muss angepasst werden? Bircher meint, als die Promiskuität überhand nahm, sei z.B. Das AIDS-Virus gekommen, um (was?) zu reparieren? Geht es mit Korona nun gegen unsere grosse Reiselust und auch gegen die Globalisierung? Er lässt das offen und ich weiss das auch nicht. 

Ich weiss nur, wenn das einer von der Kirche gesagt hätte, wäre der Aufschrei gross und was man sich dabei denke? 

Ich will nicht über Strafen Gottes spekulieren, der Gedanke wurde schon zu oft missbraucht, ich kann auch nichts zu inneren Prinzipien der Evolution sagen. 

Vielleicht machen Sie sich Ihre eigenen Gedanken. Vielleicht bleiben Sie auch ein wenig in der Nachdenklichkeit. Denn es gibt einen nachdenklichen Satz Jesu, der mir nicht aus dem Kopf will (Sie entschuldigen, ich kann mir die altertümlichen Konjunktive einfach nicht verkneifen): Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne, und nähme an seiner Seele Schaden? (Markus 8,36)

Geht auch auf »Altenglisch«: For what doth it profit a man, to gain the whole world, and forfeit his life?

Oder noch mal modern, für die digital natives: Was nützt es dem Menschen, wenn er alles gewinnt, was diese Welt zu bieten hat, dabei aber seelisch zu Grunde geht (nach Fred Ritzhaupt). 

Die Presse meldet indes, dass Händler für Atemschutzmasken u.a. den 5 - 10 fachen Preis verlangen. Hedgefonds Manager wetten (Aktioneleerverkäufe) mit Milliarden Dollar auf fallende Börsenkurse und Firmenpleiten durch die Koronakrise.


Montag, 23. März 2020

Da waren’s nur noch zwei

Das ist nicht die Apokalypse, sagte irgend ein Virologe in einem Interview. Aber ein wenig so fühlen wird man sich ja wohl dürfen? Und ein wenig so verhalten auch?, werden manche fragen. Und wieder andere denken, sie kommt vielleicht doch, die Apokalypse, wenn wir schon nur noch zu zweit hinausdürfen, muss es ernst sein, sehr ernst. Aber wenn sie doch kommt, dann muss ich ja nicht mehr vernünftig sein, oder?

Wie sagte doch der Bub zum »Aetti«, in Hebels Gedicht »Die Vergänglichkeit«?
Fast allmol, Aetti, wenn mer’s Röttler SChloß 
so for Auge stoht, se denk i dra, 
öbs üsem Hus echt au emol so goht. 
Stohts denn nit dört, so schudrig, wie der Tod
im Basler Todtetanz? Es gruset mer, 
wie länger aßi’s bschau.

Darauf der Aetti:
Du gute Burst, ’s cha frili sy, was meinsch?
’s chunnt alles iung und neu, und alles schlicht
im Alter zu, und alles nimmt en End,
und nüt stoht still…

Er weiss ja: »…und woni gang, … i gang im Chilchhof zu…«
Das wissen wir auch, wollen’s freilich nicht immer wissen. Aber wenn das gewohnte Leben aus dem Vollen gestört, empfindlich gestört wird? Dann verfallen die einen in Panik, wer will es ihnen verdenken, die anderen erst recht in Unvernunft, nur, was mache ich?
Sollen wir noch mal Hebel hören? In seinem Gedicht »der Käfer« schreibt er:
Druf fliegt er zu si’m Schätzli heim, 
’s wohnt in der nöchste Haselhurst.
Es balgt (macht ihm Vorwürfe) und seit: »Wo blibsch so lang?«
Er seit: »Was chani für mi Durst?«

Iez stoht er uf, er nimmts in Arm, 
er chüßts, un isch bym Schätzli froh. 
Druf leit er si in Todtebett;
und seit zum Schätzli: »Chumm bal no!«


Viel dichter kann man das Leben kaum beschreiben. Jetzt kann man’s auch verstehen, wo unser Leben seltsam langsam und doch dicht wird. Es bleibt, eins nach dem andern zu leben, in »Mäßigkeit mit stillem Sinn in Pflicht und Recht«, meint Hebel im »Wegweiser«. Ob er recht hat?

Sonntag, den 22. März 2020

Predigt zum Sonntag Laetare - 3. Teil der Predigtreihe »Das soll ich glauben?« 

Predigt der Teile des Glaubensbekenntnisses und auch seiner »Lücken«





Samstag, 21. März 2020: We didn’t start the fire 

»Schools close, Tom Hanks, trouble in the big banks, no vaccine, quarantine, no more toilet paper seen. Travel ban, Weinstein, panic COVID-19, NBA, gone away, what else do I have to say.«

We didn’t start the fire... (Wir haben das Feuer nicht entfacht). Über 30 Jahre ist das Lied Billy Joels alt. Ein subjektiver Rückblick auf die ersten 40 Jahre seines Lebens, entstanden in Auseinandersetzung mit einem 20 jährigen, der meinte, er lebe wirklich in schlimmen Zeiten, und als Joel so alt gewesen wäre wie er, sei doch nichts Vergleichbares los gewesen, schon gar nichts Schlimmes. 

Jetzt hat jemand eine neue Strofe gedichtet, das Leben in den Zeiten des Corona-Virus, man versteht es auch mit wenig Englischkenntnissen. 

Eine Strofe Joels hört mit der Frage auf: »Was müsste ich sonst noch sagen?« Eine gute Frage, denke ich mir. Sie gilt für jeden. Was hast du noch zu sagen? Was da wohl käme? 

  • Interessiert mich nicht! 
  • Was geht‘s mich an? 
  • Ich mache, was ich will und lasse mir nichts vorschreiben! 
  • Ich habe Angst! 
  • Wir brauchen Vorräte! 
  • Ich will vernünftig sein und mich an die Vorschriften halten! 
  • Mir gehts‘ noch gut. 

»Wir haben das Feuer nicht entfacht!« Denn das waren die ... (setzen hier die Namen Ihrer persönlichen Verschwörungstheorie ein: Chinesen, Amerikaner, Deutsche, die…) 

Wenn irgendwann das Gehirn wieder funktioniert, dann könnten wir als Kirche vielleicht auch was sagen, das über Sätze wie »Kirche begleitet« und »Ganz nah bei den Menschen« hinausgeht. Oder, besser noch, wir lassen es uns sagen: »Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid.«:

  • Weil ihr nicht mehr aus dem Haus sollt, 
  • weil ihr euch nicht mehr mit jemanden treffen sollt, 
  • weil ihr davon gar nichts hören wollt, was aber unmöglich ist,
  • weil ihr das alles nicht versteht, 
  • weil ihr nur leben wollt, aber es nicht mehr könnt, wie gewohnt, 
  • weil ihr Verantwortung tragt, die immer schwerer wird, 
  • weil euch die besserwissenden Frager nerven, 
  • oder die, die sich unvernünftig benehmen…

Und dann sagt einer: »Kommt her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid… 

Wie? Hat der gar keine Ahnung?
Und er: »Komm«, sagt er, »erzähl’s mir.«


Freitag, 20. März 2020

»Korn das in die Erde, in den Tode versinkt…« 
Das Wochenlied (Gesangbuch Nr. 98)

»Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün« heisst es in Jürgen Henky’s Nachdichtung des englischen Liedes »Now the green blade rises«.
Was das Besondere am wachsenden Weizen ist, wissen Menschen schon lange (ausser denen, die glauben, das Mehl wächst im Supermarktlager). Der gute, alte Paul Gerhard (gest. 1776) hat das beschrieben: »Der Weizen wächset mit Gewalt…« (Gesangbuch Nr. 503,7).
Auch die Nicht-Landwirt*Innen können das nachvollziehen, indem sie z.B. Spriessweizen in einer Schale nachziehen. Man kann fast beim Wachsen zusehen, so schnell geht das.

Zur Zeit wächst aber etwas ganz anderes: Angst, Sorgen und Misstrauen. Es wächst die Wut, dass man nicht als erster und sofort getestet wird. Ob auch die Unvernunft wächst, weiss ich nicht, vielleicht ist sie nur so gross wie immer, also werden sogenannte Corona- und andere Parties gefeiert. Sollte man da nicht Mitleid haben? Was sollen die Leute denn mit ihrer Freizeit sonst machen? Etwa die Grünschnittsammelstellen überlasten, wie dieser Tage auch schon geschehen? Ein Psychologe im Fernsehen kann es erklären: Die Menschen könnten ihr Verhalten nicht einfach innerhalb von 14 Tagen umstellen. Aha.
Ebenfalls wachsen, parallel dazu, die Verbote, die uns schützen sollen. Richtig, wir können ja nicht einfach innerhalb von 14 Tagen…

»Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün« - das erinnert mich daran, dass wir das nicht machen können. Wir können düngen und giessen, aber nicht nicht dem Korn befehlen: »Wachse! Wachs’ schneller!« Was wir können ist, aussäen. Liebe wächst wie Weizen? Also säen wir sie aus. Schaffen, wo möglich, Bedingungen, in denen sie wachsen kann. Wir wir das machen sollen? Aber das wissen wir doch.
Wachsen lässt’s ein anderer. Unser Dichter Jürgen Henkys benutzt ein Bild, um die Antwort zu geben: »Hin ging die Nacht, der dritte Tag erschien, Liebe wächst wie Weizen, und ihr Halm ist grün.« Wie bitte? Dritter Tag? Was soll die kryptische Sprache? Aber da war doch mal was: Jesus, Hinrichtung, Auferstehung.




Donnerstag, 19. März 2020

Der »Wochenspsalm« ( = Psalm 85)

Was hat das alte Zeug aus der Bibel mit mir zu tun? Das ist doch eine längst vergangene Welt… so denken viele. Und nun können wir unserer Kirche nicht mehr wie gedacht nutzen, das ist eine einschneidende Erfahrung (auch wenn das nur eine geringe Zahl wirklich tut). Lesen Sie vor dem Hintergrund der Schutzmassnahmen (und derer, die vielleicht noch kommen!) diesen Psalm. Plötzlich holen uns die alten Worte ein, wie in Vers 6, »Sie gehen schon in Gedanken auf Pilgerreise zu deinem Haus«. Das ist das, was uns im Augenblick noch bleibt. Keine alte Vergangenheit mehr, sondern neue Wirklichkeit.

Nun heisst es wieder oft, dass die Welt »nach Corona« nicht mehr sein wird, wie vorher. Ich habe da meine Zweifel, denn das menschliche Gedächtnis ist kurz (manchmal ist das auch ganz hilfreich). Bei all den Veränderungen ist es indes tröstlich, dass Gott für uns ein »offenes Ohr« hat. Und wir beten so lange nicht mehr für den König, sondern für die Kanzlerin und für unseren »Kretsche«. Gott möge ihnen freundlich begegnen.


2 Wie lieb sind mir deine Wohnungen, du Herr der himmlischen Heere.

3 Ich war voller Sehnsucht,ein einziger Wunsch brannte in meiner Seele:
Ich möchte so gerne beim Herrn sein – in den Höfen, die seinen Tempel umgeben.
Festfreude erwärmt mir Herz und Leib. Ich bringe sie vor den lebendigen Gott.
4 Auch der Sperling hat ein Zuhause gefunden, und die Schwalbe fand ein geeignetes Nest.
Dort hat sie ihre Jungen sicher untergebracht.
Solchen Schutz bieten auch deine Altäre, du Herr der himmlischen Heere,
mein König und mein Gott.
5 Glücklich ist, wer in deinem Haus wohnt. Dafür sollen sie dich immerzu loben!
6 Wie glücklich sind die Menschen, die einen sicheren Platz bei dir finden.
Sie gehen schon in Gedankenauf Pilgerreise zu deinem Haus.
7 Und müssen sie durch ein dürres Tal, stellen sie sich eine Quelle vor Augen.
Segensreich füllt Frühregen den Teich.
8 
So wandern sie dahin mit wachsender Kraft, bis ihnen Gott auf dem Zion erscheint.

9 Du Herr, Gott der himmlischen Heere:Höre doch meine sehnsuchtsvolle Bitte!
Hab ein offenes Ohr, Gott Jakobs! 
10 Bewahre den König, Gott, er ist unser Schild! Begegne ihm freundlich, du hast ihn gesalbt!
11 »Einen Tag in deinen Höfen zu verbringen, ist besser als tausend Tage nach meiner Wahl.«
»Im Haus meines Gottes auf der Schwelle zu stehen, ist besser als im Zelt der Bosheit zu sitzen.«…


Mittwoch, 18. März 2020

Der kommende Sonntag trägt den Namen »Laetare«, er nimmt einen Satz des dritten Jesaja auf (Kapitel 66,10):

Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.

So einen Satz kann man sich auch ausleihen und auf das eigene Leben anwenden. Es ist nicht ungewöhnlich, dass uns diese Zeiten verunsichern, keiner weiss, was noch kommt, ob er oder sie sich anstecken und dann wieder gesund werden wird. Viele nützen das auch aus und setzen jeden Blödsinn ins Internet, der z.T. sogar gefährlich ist. Lassen Sie sich am besten gar nicht auf so etwas ein. 

Halten Sie sich lieber erst einmal an das, was Sie wissen: Dass es an dem Ort, an dem Sie leben, Menschen gibt, mit denen Sie sich verstehen und die des gut mit Ihnen meinen. Das wäre z.B. ein Grund zur Freude, auch in unsicheren Zeiten. Der dritte Jesaja hat dafür ein sehr deutliches Bild, das manchen vielleicht auch ein wenig peinlich sein dürfte: Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust.

Ja, so deutlich sagt er es wirklich und spricht damit ganz alte, oft nur noch unbewusste Erfahrungen in uns an. Manchmal sind wir auch als Erwachsene wieder wie Kinder, vielleicht auch so ratlos und erwartungsvoll, dass jemand es für uns richtet. Das will Gott sogar tun, nur halt anders, als viele es denken. Es ist kein »rundum-sorglos-Paket«, sondern das Angebot, uns zu dabei zu helfen, unseren Platz im Leben auszufüllen. Welcher das ist? Nun, das wäre vielleicht der erste Anlass, um ein wenig über unser Leben nachzudenken.